Teil 28: Tierisch

Landwirtschaft ist komplex mit vielen Abhängigkeiten untereinander. Es gibt verschiedene Treibhausgase und Emissionsquellen. Bodenqualität und Biodiversität bringen eigene Herausforderungen. Veränderungen in der Landnutzung haben kurz- und langfristige Auswirkungen nicht nur auf die Klimabilanz. Der Flächenverbrauch der Landwirtschaft ist enorm. Gleichzeitig wollen wir 10 Mrd. Menschen gesund und ausgewogen ernähren, was uns bisher nicht ganz gelingt. Als Lösung wird oft eine vegetarische oder vegane Ernährung genannt. Das erscheint naheliegend, schließlich hat Tierfutter einen immensen Platzbedarf. Auch verursachen insbesondere Rinder hohe Methanemissionen, und zu viel Gülle von Rind und Schwein führt zu Nitratbelastung im Grundwasser. Also alle (Zucht-)Tiere abschaffen, vegane Ernährung für alle und Problem gelöst? Ganz so einfach ist es nicht.

Vegan & B12

Vorweg: Ja, ein Mensch kann sich vegan und gleichzeitig ausgewogen ernähren. 10% Vegetarier und 2% Veganer machen es vor, auch im Leistungssport. Das erfordert etwas Überblick über Nährstoffbedarf und Ernährungsplan, ist aber gut machbar.

Lediglich Vitamin B12 kommt in natürlichen veganen Lebensmitteln kaum vor. Ohne dieses Vitamin gibt es gravierende Mangelerscheinungen, auch wenn es bis dahin viele Monate dauert. B12 müssen Veganer daher separat zuführen durch passende Ergänzungsmittel/Tabletten. Es gibt auch spezielle B12-Zahnpasta. Das Vitamin wird durch mikrobiologische Fermentation mit Bakterienkulturen gewonnen.  Eine aktuelle Forschung hat kürzlich große Mengen B12 auch in bestimmten Blaualgen festgestellt. Damit kann vegane Ernährung nochmals einfacher werden.

Auch jenseits des Klimas gibt es gute Argumente für vegane Ernährung. Wenn du auf vegane Ernährung umsteigst, ist das prima. Bitte setze dich vorher etwas mit gesunder Ernährung auseinander. Nur Marmeladenbrot und Nudeln mit Tomatensauce reichen nicht aus, auch wenn Studenten-WGs es gerne anders versuchen. Spoiler: Warum wohl werden ausgerechnet Nuss-Mischungen als „Studentenfutter“ angepriesen?

Trotz der ethischen  Bedenken erfüllen Tierbestände in der Landwirtschaft mehrere Funktionen, nicht nur als leckeres Grillgut. Auch Leder, Wolle, Daunen, diverse Kosmetika, Seide und mehr kommen vom lieben Vieh. Vegane Alternativen setzen zumindest teilweise auf Plastik und somit  wieder auf fossilen Kohlenstoff mit den entsprechenden Klimanachteilen. In der Gesamtbilanz dürfte dieser Anteil jedoch kaum auffallen.

Nutztiere

Rinder, Schafe, Ziegen und andere Tiere haben eine besonders praktische Eigenschaft: Sie fressen Gras oder Klee und werden davon satt. Das kriegt Mensch so nicht hin. Gleichzeitig sind Kleegraswiesen ein guter Kohlenstoffspeicher. Sie bilden Humus und reichern den Boden mit Stickstoff an und zwar deutlich besser als z.B. Getreide. Der Anbau von Futtermitteln verbessert somit die Bodenqualität und die CO2-Bilanz des Bodens. Auch gibt es landwirtschaftliche Flächen, die sich ausschließlich zur Beweidung eignen. Zum Beispiel weil der Boden nicht genug Ertrag liefert, weil zu viele Bäume auf der Waldwiese stehen, weil der Boden zu flachgründig ist oder weil der Trecker umkippt und ins Tal kullert, wenn die Almwiese eine Neigung über 30° hat.

Zusätzlich liefern die Tiere wertvollen Dünger, über 140 Millionen Tonnen tierischen Wirtschaftsdünger jedes Jahr. Wollten wir dies durch mineralischen Dünger ersetzen, wären das wiederum große Mengen CO2 in der Vorkette bei der Düngerproduktion.

Noch an anderer Stelle helfen uns Viehbestände in der Lebensmittelkette. Weizen, Roggen, Hafer wachsen nicht jedes Jahr gleich gut. Zu viel oder zu wenig Regen, Temperatur, Bodenqualität, Schädlingsbefall und vieles mehr beeinflussen die Qualität. Gleichzeitig gibt es hohe Anforderungen für die Lebensmittelproduktion. Mindestens 11,5% Eiweiß muss Weizen enthalten, damit der Bäcker daraus ein einfaches Brot backen kann und darf. Wenn das nicht gelingt, wird das Getreide statt dessen zum Futtermittel. Ganz ohne Tierbestände wäre solch ein Weizen dann nur noch Kompost und der Landwirt vermutlich pleite.

Daher, liebe Veganer und Vegetarier. Es ist toll, dass ihr euch nachhaltig und gesund ernährt und für das Tierwohl einsetzt. Bitte macht weiter so. Gerne dürft ihr noch mehr werden. Gleichzeitig müssen nicht alle Menschen zum Vollveganer werden. Ein paar Tierbestände sind gut für die natürlichen Kreisläufe, und sie liefern mehr als Fleisch und Milch. Selbstverständlich sollten wir Tiere dabei bestmöglich behandeln. Mit Massentierhaltung klappt das nicht, doch leider werden auch Nahrungsmittel vorwiegend über den Preis verkauft.

Planetary Health Diet

All das vorausgeschickt, müssen wir dennoch unseren Konsum an Fleisch und Milch noch reduzieren. 2023 verzehrte jeder Mensch in Deutschland 51,6 kg Fleisch, Vegetarier und Veganer eingeschlossen. Gegenüber 2018 ist das bereits ein Rückgang  von 15%. Das ist ein guter Trend, doch es geht noch mehr. Der EAT-Lancet Report beschäftigt sich intensiv mit weltweiter nachhaltiger Ernährung für alle. Daraus resultiert die planetary health diet. Zielwert sind 500g Fisch & Fleisch pro Person und Woche sowie knapp 2 Liter Milch & Milchprodukte. Es gibt also auch weiterhin Aufschnitt und Schnitzel,  am besten aus der Region und bitte nicht zu oft. Beides hilft dem Klima und dem Tierwohl.


(Quelle eatforum.org)

Mit der empfohlenen Fleischmenge kann ich im Alltag gut auskommen. Insbesondere, wenn ich Fleisch nicht als Hauptzutat sondern als Beilage bzw. Ergänzung zur Mahlzeit verstehe. Kritischer finde ich persönlich ohnehin die Ration für „zusätzlicher Zucker“. Da liege ich deutlich über der Empfehlung. Doch wenigstens meinen Kaffee trinke ich ungesüßt und ein Schuss Milch gibt es weiterhin.

Nachtrag

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4 thoughts on “Teil 28: Tierisch

  1. Leider nicht ganz korrekt: Lies mal: Anders satt von Friederike Schmitz bzgl. pflanzliche Dungmethoden, auch im großen Stil. Bauern müssen nicht-Weidetieren Vitamin B12 supplementieren, damit dieses im Fleisch oder der Milch vorhanden ist, die Mensch dann konsumiert.
    Alle sonstigen Produkte lassen sich inzwischen durch viel bessere pflanzliche Produkte ersetzen. So können Bauern, die ihre Wiesen wieder vernässen und Moore zurückkommen lassen, z.B. Rohrkolben nutzen, der ein besseres, leidfreies und hygienischeres Dämmmaterial und eine optimale Daunenalternative darstellt.
    Was die Milliarden Tiere, die jedes Jahr unter verheerenden Umständen und mit riskanten Begleiterscheinungen für uns alle (Vogelgrippe u.a.) intensiv gezüchtet und getötet werden anbelangt … Die Erkenntnisse der kognitiven Ethologie haben uns ihre wesentliche Ähnlichkeit mit uns näher gebracht, sodass wir uns – insbesondere weil wir die Menschenrechte gegeben und so definiert haben, wie wir sie definiert haben – fragen müssen, ob das massenhafte brutale Züchten und Abschlachten der nicht-menschlichen Wesen noch irgendwie mit unseren definierten Moralvorstellungen zusammen passt. Kein Mensch braucht Fleisch. Und wenn selbst die seit Jahrhunderten als Herders bekannten Menschen Kenias es geschafft haben, binnen 2, 3 Jahren die Rinderherden aufgrund der Folgen des Klimawandels von sich aus!! gegen Gemüseanbau einzutauschen, dann schafft es jeder.
    Nichts, so hieß es schon in den 1980er Jahren am heutigen Bundesamt für Naturschutz in Bonn 2 ,ruiniert unseren Planeten mehr als die Nutztierhaltung in Bezug auf Artensterben, Naturzerstörung, sauberes Wasser, Atemluft, Kontamination mit Pestiziden u.a. Chemikalien!

    1. Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar.

      Das Thema B12-Zufütterung wurde heute auch auf Facebook diskutiert. Aktuell habe ich hier verstanden:
      – Wildtiere haben unterschiedliche Techniken, um sich mit B12 zu versorgen, u.a. durch Koprophagie (ein cooles Wort für den Verzehr des eigenen Kots )
      – Zuchttiere, insbesondere Stalltiere, können dies oft nicht mehr, u.a. weil die Futtermittel nicht der natürlichen Ernährung entsprechen. Hier wird B12 als Supplement zugefüttert.
      – Rinder erhalten keine B12-Zufütterung sondern Kobalt, aus dem sie dann B12 selber im Pansen synthetisieren.
      – Mensch kann sich heutzutage bequem auch ohne Tiere mit B12 versorgen.
      Ist das so ungefähr korrekt? Mehr Informationen zu B12 habe ich oben im Nachtrag verlinkt.

      Rohrkolben und wiedervernässte Moore hatten wir im letzten Teil https://klimadialoge.de/moore/
      Du schreibst „Rohrkolben als Daunenersatz“. Wie funktioniert das? Daunen werden z.B. in Kissen oder Jacken eingesetzt. Da sind Rohrkolben wohl kaum ein Ersatz? (Selbstverständlich gibt es aber viele andere gute Alternativen für Daunenkissen und -jacken.) Rohrkolben hätte ich eher in der Gebäudedämmung vermutet.

      Der Wandel in Kenia von Herdern zu Gemüsebauern interessiert mich genauer. Gibt es dazu eine schöne Quelle?

  2. Gut recherchierter Text der mal über das reine „Die Armen Tiere; wie könnt ihr die nur Essen; seht ihr nicht, wie süß dieses Ferkel ist?“ und „Der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen und ich lass mir doch von den Vegetarier*innen und Veganer*innen nicht die Wurst vom Brot nehmen!“ hinausgeht.
    Die komplexen Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und Umwelt werden selten angesprochen, gerade weil sie weniger leicht zu fassen sind als Parolen für oder gegen fleischlose Ernährung. Danke für den Beitrag!

    1. Schön, dass Du wieder da bist. In der Tat ist Landwirtschaft umfangreich. Dagegen ist die Energiewende direkt einfach. Es gibt auch komplett biovegane Landwirtschaftsmodelle. Mehr dazu in den nächsten Wochen.

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