Zukunftsbild

Alle meckern über die Klimawende und die Grünen sind zum Feindbild par excellence geworden. Warum eigentlich? Wovor genau fürchten sich die Klima„skeptiker“ und #fckAfD-Trolle, wenn es um Klimaschutz geht? Was ist so schlimm an Strom vom Deich statt Öl vom Scheich? Wie sieht diese böse, böse Zukunft eigentlich aus, wenn wir die Klimaneutralität erreicht haben?

Das wollte ich herauszufinden. Deshalb habe ich die Pläne für den Fluxkompensator in eine Zeitkapsel gepackt und an der Uni vor der Mensa vergraben. Heute in dreißig Jahre hat ein Professor diese Kapsel gefunden, die Zeitmaschine gebaut und sein Neffen Marty hat mich diese Woche damit besucht. Wir haben uns lange unterhalten und es war ein spannendes Gespräch

  • Hy, Marty, sensationell, dass Du da bist. Ich kann es kaum erwarten, was Du zu erzählen hast. Klasse, dass das geklappt hat.
  • Ich bin selber geflasht, Holger. Ich habe mich riesig gefreut auf den Trip. Man hört so viel absurde Dinge über die dirty twenties. Das muss ich mir  einfach anschauen. Aber sag zuerst: Woher hattest Du die Pläne für den Fluxkompensator? Alle haben immer gesagt, so eine Zeitmaschine wäre  absolut unmöglich.
  • Ach ja? Das es unmöglich ist, hatte ich nicht gewusst, da habe ich es einfach gemacht.
    Deutlich schwieriger erscheint aktuell die Energiewende, überall gibt es Gegenwind und die schönen Erfolge der frühen 2020er werden gerade wieder rückabgewickelt.
  • Ja, das habe ich im Geschichtsunterricht gesehen. Die Historiker lachen heute noch, wie sich die Industrie so hat vorführen lassen.
  • Die Industrie? Aber gerade die Energiekonzerne bauen doch weiter an ihren fossilen Ausbauplänen.
  • Das mag sein, doch die deutsche Industrie besteht nicht nur aus Großkonzernen. Vor allem der Mittelstand ist Ende der 2020er auf die Barrikaden gegangen und hat sich gewehrt. Sie haben den Standort Deutschland mit aufgebaut immer mit Blick auf Innovation und langfristiger Strategie. Das lassen sie sich von internationalen Konzernen nicht zerstören.
  • Spannend. Doch warum sollte der Mittelstand anders handeln als die Konzerne?
  • Na zum einen, weil der Mittelstand in Deutschland auch Steuern zahlt, während die Konzerne ihre Gewinne fast immer ins Ausland verschieben. Für diese Steuerlast, fordern die Unternehmer vom Staat auch eine Leistung ein.
    Zum anderen ist der Mittelstand oft inhabergeführt im Familienbesitz. Da willst Du eine langfristige Perspektive. So ein Konzernvorstand bleibt meist nur für wenige Jahre, dann bietet ein anderer höhere Boni. Das ist wie bei den Politikern. Die denken auch nur bis zur nächsten Wiederwahl.
  • Eines der großen Hürden beim Klimaschutz. Die CO2-Einsparung von heute, bemerken die Bürger erst in den nächsten Jahrzehnten. Da ist die Wiederwahl aber schon dreimal vorbei.
  • Genau. Das lässt sich kaum lösen. Zum Glück gibt es aber nicht nur die Politik, sondern eben auch Menschen, die längerfristig denken. Den Ausschlag aber gab letztlich, dass erneuerbare Energien so preiswert wurden. Von der Kleinfamilie bis zum Großunternehmen wurde es mit Windkraft und PV einfach billiger und zu einem Business Case.
  • Tja, das mag sein. Aktuell meckern alle aber über zu hohe Strompreise.
  • Auch das haben die Historiker sich angesehen. Die hohen Strompreise kamen ja nicht durch Windräder oder PV Anlagen, sondern weil Deutschland über Dekaden die eigene Infrastruktur verlebt hat, statt zu reinvestieren. In den 2020ern kippte das dann, als der Kölner Dom einstürzte. Vorher schon stürzten jedes Jahr Brücken ein oder es gab Stromausfälle durch veraltete Leitungen. Irgendwann ließ sich das nicht mehr klein reden und eine massive Sanierungswelle war die Folge. Dies freute auch die Wirtschaft, denn bauen schafft volle Auftragsbücher.
    Die Energiewende kippte zum Guten, als Deutschland endlich die Smartmeter großflächig ausrollte und Batteriespeicher den Markt eroberten. Insbesondere die Batterien hatte man unterschätzt. Dabei hatten die PV-Anlagen gerade erst vorgemacht, was exponentielles Wachstum schafft.Die Entwicklung war ähnlich rasant wie bei den Smartphones ab 2007 oder den PCs in den 1990ern. Jede neue Generation schaffte noch höhere Ladungsdichten. Als die Batterien dann noch strategisch platziert wurden, statt nach dem Windhund-Prinzip, überholte sich die Wende selbst.
    Zuerst liefen nur die Abendstunden im Sommer über Batterie. Doch wer ein E-Auto hatte, konnte seine Wohnung schon auch über Tage mit Akkustrom versorgen. Die Wagen wurden mittags billig mit PV-Strom geladen und konnten nachts ganze Wohnblocks mit Strom versorgen. Bald wurde jedes Haus mit Akkus ausgebaut, selbst wenn sie keine PV-Anlage hatten.
    Ein StartUp aus Bielefeld brachte die Swipe-a-Volt App auf den Markt. Damit konnte jeder sein Balkonkraftwerk, seinen Hausspeicher oder auch den Akku vom E-Auto anbieten. Wie bei Tinder konnte man sich dann seinen Lieblingsstrom in die Wohnung swipen. Wer kein Balkonkraftwerk hatte, holte sich Mittags Strom vom Schmidt und Abends aus dem E-Auto vom Schulz. Die Strompreise wurden von der App ausgehandelt, die Abrechnung lief über die SMGW Schnittstellen der Smart Meter.Eine Petition drückte schließlich durch, dass für die Kurzstrecken-Transfers weniger Netzentgelte fällig wurden. Bald wurde Swipe-a-Volt günstiger als Tibber und andere dynamische Tarife. Lokale Energiegenossenschaften ergänzten die Lücken durch regionale Windräder. Letztlich brauchte es viel weniger Geld für neue Stromtrassen als ursprünglich von den Energiekonzernen behauptet.
  • Wow, was ein Konzept. Aber was ist mit den Gaskraftwerken und der Dunkelflaute.
  • Dunkelflaute? So hieß das früher mal. Heute sind das die Green Shift Days.
  • Raider heißt jetzt Twix?
  • Was bitte ist ein Twix?
  • Nicht so wichtig. Warum „Green Shift Days“?
  • Ah, ja. Zunächst zeigte sich, dass die Backup-Kraftwerke über- und die Batterien massiv unterbewertet waren. Ähnlich den PCs, als Ingenieure behaupteten „Mehr als ein Megabyte Speicher braucht kein Mensch“. Schon 10 Jahre später gab es Rechner mit Gigabyte und dann Festplatten mit Terrabyte. Danach kamen die Grafikkarten, die Rechnungen von hunderten CPUs gleichzeitig erledigten.Ganz ähnlich lief es mit den Batterien. Fast im Jahrestakt kamen neue Techniken auf den Markt, jede stärker und preiswerter als die letzte Generation. Schon 2034 feierte Europa die erste gespeicherte Terrawattstunde. Seitdem wird der 28. Juli europaweit gefeiert als der T-Watt-Day.
  • Wie, die haben einen Feiertag daraus gemacht?
  • Ja, klar. Auch eine Energiewende braucht positive Bilder und nachdem die Blaunazis überwunden waren, war Gemeinschaft und Miteinander wieder voll im Trend.
  • Wow, das macht Hoffnung.
  • Zu recht. Doch zurück zu den Green Shifts. In Zeiten von wenig Wind und Sonne, wäre es absolut widersinnig, Glas zu schmelzen oder Stahl zu produzieren. Die Industrie nutzte die variablen Strompreise als Wettbewerbsvorteil und drosselte an diesen Tagen die Produktion.
    Bald zogen andere Industriezweige und Gewerbe nach. Sie reduzierten ihren Strombedarf, die Mitarbeiter hatten dann oft früher aus – sie hatten eine „Green Shift“.
    Statt zu Hause Fernseher und Playstation anzuwerfen, nutzten die „Green Shifter“ die gewonnene Zeit, trafen sich mit Nachbarn und Freunden, lachten und feierten zusammen. Es gab sogar Ultras, die zur  Green Shift ihren Kühlschrank abstellten.
  • Braucht ein Kühlschrank denn so viel Strom?
  • Natürlich nicht. Aber wenn der Kühlschrank aus ist, droht das Bier warm zu werden. Also muss man das schnell trinken. Am besten mit anderen Ultra-Shiftern zusammen.
  • Ist klar. Wo ein Wille ist ist auch ein gutes Getränk.
  • Genau. Die Green Shifts waren immer ein kleines Fest. Mit den Jahren wurden sie jedoch seltener, als Batterien und Wasserstoff immer weiter skalierten. Heute gibt es kaum noch echte Greens. Viele Länder rufen dennoch einmal im Jahr eine Green Shift aus, obwohl die Sonne scheint. Im Volksmund sind das die Bright Greens.
  • Das klingt wirklich großartig. Aber apropos Getränk. Der Kaffee ist durchgelaufen. Ich bin gleich wieder da. Dann musst du mir den Rest erzählen.

 

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