
Grüner Wasserstoff ist das coole Zeug, das alle haben wollen. Kennt ihr Wasserstoff noch aus dem Schulunterricht? Der Lehrer hat zwei Elektroden ins Wasser gehalten, Strom eingeschaltet und an beiden Elektroden haben sich Gasblasen gebildet. Wasser zerfällt dabei in Wasserstoff und Sauerstoff, und wenn man den Wasserstoff anzündet, macht es Bumm – die Knallgasreaktion. Tatsächlich ist Wasserstoff ein Universaltalent und ein wichtiger Baustein zur Klimaneutralität, jedoch anders als Jens Spahn, Lindner und einige andere euch erzählen wollen.
Farben des Wasserstoff
Zunächst kommt es darauf an, wie man den Wasserstoff gewinnt. Dafür gibt es viele Verfahren, denen unterschiedliche Farben zugeordnet werden:
- Schwarzer/Brauner/Grauer Wasserstoff
Hergestellt aus Steinkohle/Braunkohle/Erdgas. Übrig bleibt neben Wasserstoff jede Menge CO₂. Schwarz-Braun ist daher eine blöde Idee nicht nur bei Wasserstoff und Haselnuss. - Blauer Wasserstoff
Wie Schwarz/Braun/Grau, aber das CO₂ wird gespeichert (CCS-Technologie). - Türkiser Wasserstoff
Aus Methan-Pyrolyse, erzeugt festen Kohlenstoff und kein CO₂. - Oranger Wasserstoff
Wird aus Abfall oder Biomasse gewonnen. Steht daher in Konkurrenz zu eh schon knappen Bio-Kraftstoffen. - Grüner Wasserstoff
Klimaneutral erzeugt durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom. - Pinker Wasserstoff
Ebenfalls aus Elektrolyse allerdings mit Atomstrom. Braucht kein Mensch. - Weißer Wasserstoff
Aus natürlichem Ursprung.
Für Klimaneutralität hilft uns nur Grüner oder Weißer Wasserstoff. Auch Orange und Türkis wäre unter Umständen OK. Beides kommt in der Praxis aber kaum vor. Auch Weißer Wasserstoff ist in der Praxis bisher selten. Doch gibt es durchaus große Vorkommen an natürlichem Wasserstoff, die sich unter Umständen abbauen lassen (vgl. Spektrum, H2-News, Taz). Zunächst konzentrieren wir uns auf grünen Wasserstoff, denn für die Klimawende bleibt wenig Zeit.
Wasserstoffstrategie
Das Thema Wasserstoff ist umfangreich und der Markt regelt das nicht von allein. Daher hat die Bundesregierung bereits 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie aufgelegt, die 2023 fortgeschrieben wurde. Diese Strategie zeichnet Rahmenbedingungen für Herstellung und Import von Wasserstoff, sowie passender Infrastruktur für Transport, Speicherung und Verwendungszwecke. In diesem Rahmen entstehen auch die Wasserstoff Leitprojekte mit Musterprojekten in allen Bereichen. Aber der Reihe nach…
Wofür brauchen wir Wasserstoff?
Grüner Wasserstoff hat zahlreiche Anwendungen. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht lediglich Wasser und jede Menge Energie. Dadurch können viele Prozesse durch Wasserstoff klimaneutral werden.
Klimaneutraler Stahl braucht Wasserstoff als Reduktionsmittel. Bisher kommt hier Kohlenstoff zum Einsatz und daraus entsteht, ja genau CO₂. Auch in der Chemischen Industrie wird Wasserstoff benötigt. Insbesondere Ammoniak (NH3) ist ein Grundbaustein für Düngemittel und vieles mehr. Im Verkehrssektor funktionieren Brennstoffzellen mit Wasserstoff. Moderne Gaskraftwerke können mit Wasserstoff laufen und auch Heizen wäre theoretisch damit möglich.
Wieviel Wasserstoff wird benötigt?
Bei so vielen Anwendungsfällen ahnt man schon: Grüner Wasserstoff ist knapp. Bereits heute nutzen wir Wasserstoff im Umfang von 55 TWh/Jahr. Bis 2030 wird ein Bedarf von 90 – 130 TWh erwartet und mehr als 350 TWh bis 2045. Zum Vergleich, mit so viel Energie kann man ganz Deutschland bis zur Weihnachtszeit mit Strom versorgen. An Produktionskapazität jedoch sind bis 2030 gerade mal 10GW geplant, selbst bei Vollauslastung wären das nur 87 TWh/Jahr. Wie gesagt, grüner Wasserstoff ist knapp und das bleibt so noch für lange Zeit.
Entsprechend dürfen wir Wasserstoff nur da einsetzen, wo es keine Alternativen gibt. Das sind die Bereiche Industrie, Stahl, Chemie. Anders herum: Wasserstoff-Autos braucht kein Mensch und auch in der Heizung hat Wasserstoff nichts zu suchen. Selbst für die Stromversorgung ist Wasserstoff vorerst zu kostbar. Hier gibt es andere Alternativen wie beschrieben.
Wie wird grüner Wasserstoff hergestellt?
Grüner Wasserstoff entsteht durch Elektrolyse von Wasser. Das Wasser kommt aus dem Hahn, die Energie kommt aus erneuerbarem Strom. Entsprechende Elektrolyseure gibt es in unterschiedlichen Varianten. Diese unterscheiden sich u.a. in Effizienz und Flexibilität. Lastflexibilität ist für die Energiewende besonders wichtig. Idealerweise laufen die Elektrolyseure bei Sonnenschein oder Herbststürmen auf Hochtouren und ruhen sich aus bei Dunkelflauten. Ihr kennt das Konzept bereits vom Demand Side Management. Diese Flexibiltät geht wiederum zu Lasten der Effizienz. Während unter Laborbedingungen Wirkungsgrade von 98% möglich sind, liegen flexible industrielle PEM-Elektrolyseure eher bei 60-70%.
Für die Herstellung von 350 TWh grünem Wasserstoff braucht man also 580 TWh Strom. Das ist etwas mehr als die derzeitige Strommenge in ganz Deutschland. Habe ich schon erwähnt, dass grüner Wasserstoff ein knappes Gut ist? Wenn man diesen Wasserstoff dann in einem Gaskraftwerk verheizt, bleiben von der eingesetzten Energie am Ende nur 25% bis 40% übrig. Bei einem Wasserstoff-Auto sinkt der Wirkungsgrad gar auf 23%. Ein weiterer Grund, Wasserstoff sinnvoll einzusetzen.
Transport
Auch der Transport von Wasserstoff birgt Herausforderungen. Auf LKWs passt er nur unter hohem Druck oder sehr stark gekühlt. Beides kostet wieder Energie. Ähnliches gilt für Transporte per Zug. Bisher gibt es hierfür gar keine zugelassenen Waggons. Ansonsten kann man Wasserstoff über Pipelines transportieren. Ein entsprechendes Netzwerk soll im Rahmen der Wasserstoffstrategie aufgebaut werden.
Etwas leichter wird der Transport, wenn man den Wasserstoff chemisch bindet, z.B. als Ammoniak oder Methanol. So „verkleidet“ lässt sich Wasserstoff einfacher transportieren und kann am Zielort wieder zurückgewonnen werden, falls man nicht sowieso gerade Ammoniak oder Methanol benötigt. Mehr dazu an der Uni Augsburg, bei HHLA oder beim Leitprojekt TransHyDe. Geforscht wird auch an einer Wasserstoffpaste, die ebenfalls den Transport vereinfachen soll.
Fazit
Wasserstoff ist ein umfangreiches Thema und es wird sich noch mehr entwickeln. Für unseren Masterplan merken wir uns: Nur Grüner (und evtl. weißer) Wasserstoff hilft uns bei der Klimawende. Den verfügbaren Wasserstoff braucht die Industrie. In Autos oder Heizungen hat er nichts verloren. Hier sind E-Autos und Wärmepumpe die Waffen der Wahl. Und natürlich eine heiße Tasse Kaffee…