Strohmann

Vor sechs Wochen habe ich über Populismus ge- und populistische Diskussionstechniken beschrieben. Auf euren Wunsch heute die Fortsetzung.

Cherry Picking

Letztes Mal hatten wir uns auf Cherry Picking konzentriert. Dabei erwähnt man bewusst nur Beispiele, die die eigene Behauptung stärken. Alle anderen Informationen lässt man weg. So kann ich behaupten: „Auf dieser Party gibt es kein Bier.“ Als ‚Beweis‘ lege ich dann drei Fotos von Wasserkästen, Cola und Fanta vor. Das beweist natürlich gar nichts. Lieber Teenager, auch deine Eltern waren früher jung und kennen die Tricks. Im heutigen Bundestag jedoch kann man sich mit primitiven Techniken Gehör verschaffen. Schade eigentlich.

Ad Hominem

Eine häufige, weil einfache, Technik ist das Ad Hominem Argument. Man ignoriert alle Sachinformationen und kritisiert stattdessen den Autor. Bekanntes Beispiel ist „der Kinderbuchautor“. Ja, Robert Habeck hat Kinderbücher geschrieben. Was genau hat das mit seinem Amt als Energie- und Wirtschaftsminister (2021-2024) zu tun? Exakt nichts. Dennoch funktioniert die Ablenkung und die Sachebene verschwindet.

Gleiche Technik, andere Form: „Wenn Luisa Neubauer zur Klimakonferenz fliegt, ist das auch nicht klimaneutral.“ Ja, selbstverständlich nicht. Doch was sagt das über ihre Arbeit aus? Gar nichts. Erwarten wir wirklich, dass Klimaaktivisten mit dem Segelboot anreisen, während die Öl-Lobby dort mit Privatjets aufkreuzt? Greta Thunberg hat das 2019 gemacht. Als Konsequenz hat man sie für ihren Rückflug nur noch stärker kritisiert.

Letztes Beispiel: Ein Alkoholiker rät dir: „Lass die Finger vom Alkohol“. Dann wirst Du kaum antworten, „Warum soll ich auf einen Säufer hören“, und Dir aus Protest erst mal eine Pulle Doppelkorn reinziehen…

Kenne deinen Gegner

Anders verhält es sich, wenn dein Gegenüber bekanntermaßen bewusst populistisch arbeitet. Wenn z.B. EIKE „Instituts“ mal wieder etwas von harmlosem CO2 faselt, dann muss man sich das nicht mehr anhören. Die Zielsetzung von EIKE ist hinreichend bekannt und deren Arbeiten populistischer Quatsch. In diesem Fall gilt: Das EIKE leugnet den menschengemachten Klimawandel und verkennt bewusst wissenschaftliche Fakten. Ihre Arbeiten zielen nicht auf Erkenntnisgewinn, sondern auf polemischen Populismus und ist daher Zeitverschwendung. Gleiches gilt für Mitglieder der verfassungsfeindlichen AfD. Diese haben in Talkshows aus den gleichen Gründen nichts zu suchen.

Achtung: Anders verhält sich das mit AfD-Wählern oder Klimaleugnern im privaten Umfeld. Diese Menschen müssen wir abholen – ohne ihnen eine Bühne zu bieten – und ihnen einen Weg aufzeigen, zurück zur Demokratie und faktenbasierten Entscheidungen.  Das erfordert Geduld und Empathie und es zeigt nur den Weg. Beschreiten müssen die Menschen ihn selber.

Falsches Dilemma

Hierbei werden zwei Extrempositionen gegenübergestellt, zwischen denen man entscheiden „muss“.  Zum Beispiel: „Photovoltaik hilft nachts gar nichts, also brauchen wir Atomkraft.“ Dabei gibt es viele Techniken, die uns mit Strom versorgen, Windkraft, PV, Batterien, Wasserkraft, Biomasse, Erdgas, Wasserstoff, Gezeitenkraftwerke, Geothermie und vieles mehr. Die Welt ist nicht schwarz-weiß sondern bunt und vielfältiger als die meisten Menschen sich vorstellen können. Bevor Du auf ein falsches Dilemma anspringst, öffne den Blick etwas weiter. Warum stehen nur diese zwei Positionen im Raum?  Welche anderen Varianten gibt es?

Red Herring

Der Red Herring ist ein Ablenkungsmanöver. Statt eine Frage zu beantworten, wirft man ein anderes Thema in den Raum.  Beliebt im Kapitalismus sind die Arbeitsplätze. „Um die 1,5° Grenze einzuhalten, müssen wir den Kohleausstieg beschleunigen.“ – „Hast Du eine Ahnung, wie viele Arbeitsplätze das kostet!“  Nein, habe ich nicht, das ist auch irrelevant. Das Thema ist Klimawandel und die 1,5° Grenze.  Arbeitsplätze sind ein wichtiges Thema, aber halt ein anderes. Gerne können wir uns später darüber unterhalten, wie der notwendige Strukturwandel aussehen kann. Zunächst jedoch ist festzuhalten: Der Klimawandel wartet nicht. Das ist Physik und die ist unbestechlich.

Beliebt ist das derzeit in der Automobilbranche. Ja, die Umstellung auf Elektro bringt große Veränderungen und wird Arbeitsplätze kosten. Hersteller von Schaltgetrieben haben dunkle Zeiten vor sich. Das ist wichtig und wir müssen uns um diese Transformation kümmern. Doch das ändert nichts daran, dass das die Entscheidung schon lange gefallen ist: Die Zukunft fährt elektrisch. Daran ändern auch die deutschen Autobosse nichts. Wir produzieren ja auch keine Pferdefuhrwerke mehr, nur weil da noch Arbeitsplätze dranhängen.

Strohmann

Schau an, eine deutsche Bezeichnung. Der Strohmann ist eine Sonderform vom Red Herring. Statt das eigentliche Argument aufzugreifen, konstruiere ich zunächst eine falsche/verzerrte Aussage und kämpfe dann gegen diesen Strohmann.  Beispiel: „Für die Energiewende müssen wir in unsere Stromnetze und Infrastruktur investieren.“ – „Du willst also noch mehr Steuern erhöhen und die Ärmsten noch ärmer machen!“

Nein, will ich nicht und habe ich auch nicht gesagt. Fakt ist, die neue Infrastruktur kostet Geld, denn Windräder und Stromnetze wachsen nicht auf Bäumen. Gerne können wir diskutieren, wie die Finanzierung dafür aussieht. Zunächst jedoch müssen wir uns einig sein, welche Infrastruktur wir tatsächlich brauchen.

Whataboutism

Wir werden wieder englisch. Ein weiteres Ablenkungsmanöver. Statt einen Vorschlag zu diskutieren, schwenke ich auf ein völlig anderes Thema um. Sehr beliebt ist die „Aber China“-Variante: „Wir müssen die Energiewende in Deutschland beschleunigen“ – „Aber China baut weiter Kohlekraftwerke“.

Erstens wachsen auch in China die erneuerbaren Energien exponentiell, während Kohlekraft Jahr für Jahr Anteile verliert. Zweitens ist China hier nicht das Thema. 195 Staaten haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und jedes Land wird seinen Beitrag leisten. Wir kümmern uns jetzt um unseren Teil in Deutschland, denn da haben wir Einfluss. Es sei denn, Du bist zufällig Energieberater in China. Dann können wir gerne über China sprechen.

Reagieren

Begegnen euch diese Muster auch im Alltag? Wie reagiert ihr darauf? Sprich das Muster direkt an: „Das ist ein Ad hominem Argument und keine Antwort auf meine Frage. Zurück zum Thema.“  Noch einfacher: „Du lenkst ab, das Thema ist die 1,5° Grenze. Sind wir uns dabei einig!“ (Ja nach Kontext mit ! oder mit ?)

Achtet dabei auf den anderen. Gerade im privaten Umfeld ist euren Mitmenschen oft nicht bewusst, dass sie unsachlich argumentieren. Also bleibt freundlich. Merke: Mit einem Lächeln und guten Argumenten kommt man weiter als nur mit einem Lächeln oder nur mit guten Argumenten. Und wenn die Diskussion sich verhakt, hilft ganz oft eine gemeinsamer heißer Kaffee. Denn eine sehr weise Frau sagte mal:

Fast alles lässt sich besser besprechen, mit einem guten Getränk in der Hand.

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