Streiten

Streiten ist gut. Mit meinen Kollegen streite ich mich gerne und intensiv, sei es um die nächste Roadmap oder das aktuelle Konzept. Streiten ist sinnvoll und richtig – so lange man um die Sache streitet – auf der Suche nach der besten Lösung. Dabei darf es auch mal laut und hitzig hergehen – doch immer um die Sache. Guter Streit ist nicht persönlich, sondern beschreibt Fakten und Zielkonflikte, vergleicht Alternativen und sucht Lösungen. Selbstverständlich läuft guter Streit ohne Beleidigungen oder Herabwürdigungen. Warum sollte ich meinen Streitpartner auch beleidigen? Für meine Position habe ich schließlich gute Argumente unterlegt mit Fakten. Sollten meine Argumente nicht überzeugen, schaffen Schimpfworte das erst Recht nicht. Solange ich umgekehrt Fakten und Argumente nutze, würden Beleidigungen meine Position nur schwächen.  Mit Beleidigungen mag man andere vielleicht zum Schweigen bringen, doch überzeugen kann man damit sicher nicht.

Wissenschaft

Seit spätestens 1988 ist klar: Der menschengemachte Klimawandel ist real, er ist gefährlich, wir sind die Ursache, wir können etwas dagegen tun. Die Faktenlage zum Klimawandel ist so eindeutig wie die Sonnenfinsternis in Deutschland am 23. Juli 2093 und, keine Wolkendecke kann das ändern. Keiner würde sich da vor eine Kamera stellen und brabbeln: „Wir Sonnenleugner zweifeln die Sonnenfinsternis an.“ In allen Bereichen vertrauen wir der Wissenschaft.

Die Ergebnisse und Errungenschaften der Wissenschaft verwenden wir täglich – auch in diesem Moment, während du diese Zeilen liest auf einem technischen Wunderwerk, dessen Funktionsweise die meisten Menschen allenfalls oberflächlich beschreiben können. Doch beim Klimawandel glauben die einige plötzlich, sie wären schlauer, als alle Wissenschaftler der Welt zusammen. Jahrzehntelange Desinformation führten dazu, dass einige Menschen den Klimawandel leugnen, verharmlosen und jeden Lösungsversuch torpedieren.

Facebook

Wie kann man damit umgehen insbesondere auf Social Media? Auf Facebook diskutiere ich viel. Schnell stößt man dort auch auf Windkraftgegner, Klimaleugner und was die Szene der Desinformierten noch zu bieten hat. Es startet mit einem schönen Post „Neues Windrad liefert Beitrag zum Klimaschutz“. Kurz darauf erscheinen die ersten Kommentare „Vogelshredder“,  „Klima hat sich schon immer verändert“,  „Aber China“, usw…  Wie reagiert man jetzt?  Meine persönliche Anleitung zum Diskutieren auf Social Media…

1. Sei schneller

Wenn Du einen neuen Post siehst, schreib schnell einen positiven Kommentar. Die Erfahrung zeigt, die ersten Kommentare setzen die Stimmung für weitere Diskussionen. Stehen unter einem Post erst mal drei positive Antworten, haben Klimaleugner es schwerer mit Kritik.

2. Bleib freundlich.

Gehe immer davon aus, der Andere ist nicht doof, ihr habt euch nur missverstanden. Nicht jeder Kritiker ist gleich ein klimaleugnender Blaunazi. Bleib freundlich. Freundlich kannst du Menschen besser erreichen und manchmal ein Stück „zur hellen Seite der Macht“ bewegen.

Selbst motivierte Gutmenschen sind manchmal falsch informiert, und gerade schriftliche Kommunikation wird öfter missverstanden. Auch deshalb bleibe freundlich, frage nach und denke an den Dialog zur „Windwand“:

3. Falschinfos korrigieren

Bei offensichtlichen Falschinformationen, stelle die Fakten richtig, am besten mit einer Quellangabe („Windräder töten pro Jahr in Deutschland ca. 100.000 Vögel. Das ist zwar schade. Doch Autos, Katzen und Fenster töten im gleichen Zeitraum viele Millionen Vögel.“)

4. Fokussiere auf Lösungen

Menschen sind sehr gut darin, überall Probleme zu sehen. So kann man den ganzen Tag meckern, ohne etwas beizutragen. Ja, Probleme gibt es überall. Wichtiger jedoch sind die Lösungen. Also frage nach: „Wenn Dir Windkraft nicht gefällt, welche andere nachhaltige Energiequelle wäre dir lieber?“  Hier stellt man schnell fest, wer tatsächlich an der Sache interessiert ist. Menschen sind schnell dabei, alles schlecht zu reden. Doch für eine Lösung reicht das nicht aus. Natürlich kann ich Windräder kritisieren – doch dann bitte auch die Alternative benennen. So erkennt man, Windkraft ist vielleicht nicht optimal, doch mit Abstand unsere beste Option.

5. Beleidigungen ignorieren

Greift dein Streitgegner zu Beleidigungen? („Windräder kannst Du nicht recyclen, Du Klimadepp“). Das ist ein gutes Zeichen, offensichtlich hast Du ihn emotional erreicht. Andererseits gehen ihm anscheinend die Argumente aus. Zumindest aber hält er seine eigenen Argumente nicht für stark genug, sonst bräuchte er die Beleidigung ja nicht. Jetzt heißt es durchatmen: Die ersten zwei Beleidigungen werden kommentarlos ignoriert. Antworte ausschließlich auf der Sachebene. („Windräder lassen sich vollständig zurückbauen und mittlerweile gibt es sogar Recyclingverfahren für die Rotorblätter.“)

Viele Streiter sind jetzt schon irritiert: Die letzten Male hatte alles so gut funktioniert – eine Falschinformation, dazu eine Beleidigung. Schon regt der Klimadepp sich auf. Man brüllt sich noch kurz an und am Ende hasst man sich, wie sich das gehört und meine Falschinformation bleibt unwiderlegt im Raume stehen. So hab‘ ich das schon immer gemacht. Doch jetzt? Muss ich jetzt auf einmal sachlich diskutieren? Das ist ungewohnt.

Oft ebben die Beleidigungen jetzt ab und man schafft tatsächlich eine sachliche Diskussion. Das allein ist schon ein Erfolg.  Bei wiederholten Beleidigungen erlaube ich mir auch mal eine höfliche Nachfrage: „Eigentlich heißt es klimadialoge und nicht klimadepp. Hast Du Dich nur verlesen, oder ist das eine Art von Tourette? Was genau stört dich an der Idee eines bewohnbaren Planeten?“. Auch hier bleibt man höflich, interessiert und zeigt Wege zurück zur Sachebene. Falls Du Dich ärgerst, mache Pause. Mach eine Stunde etwas anderes und antworte später in Ruhe. Einer der großen Vorteile von Social Media Diskussionen.

Antwortet der Mitstreiter nur noch mit Beleidigung, kann man auch hier nachfragen: „Das war viel Beleidigung und wenig Inhalt. Kommt jetzt noch dein sachlicher Beitrag?“

Werden die Beleidigungen zu massiv, darf man Grenzen setzen. In der Praxis war das für mich nur selten notwendig. Als alter weißer Mann habe ich hier vermutlich einen komfortablen Vorteil. Das mag in anderen Fällen schwieriger sein. Wie sind da eure Erfahrungen?

6. Nicht ablenken lassen

Jede Diskussion kostet Zeit. Wer länger debattiert, kann weniger handeln. Daher prüfe, stets wo deine Zeit am besten investiert ist. Statt drei Stunden mit Erwin von Telegram zu debattieren, schreib lieber einen Brief an Energieministerin Reiche oder deinen Abgeordneten.

Manche Debatten werden ausschließlich zur Ablenkungen inszeniert. Ein Beispiel dafür ist Atomkraft. Das Thema ist längst entschieden. Selbst bei gutem Willen ist Atomkraft keine Lösung. Entsprechend ist jede Diskussionen darüber reine Zeitverschwendung. Wenn Blaunazis die große „Renaissance der Atomkraft“ planen wollen, lass sie nur. In der Zeit, wo sie Atomkraftwerke planen und dabei anfangen zu strahlen, machen sie wenigsten nichts Schlimmeres und gehen uns nicht auf die Nerven. Gebaut wird das geplante AKW sowieso nicht. Bei allen AKW-Kommentare reicht daher eine vorgefertigte Standardantwort: „Selbst bei gutem Willen ist Atomkraft leider keine Lösung (Details und Quellen unter https://klimadialoge.de/atomkraft/)“. So lange der Atomfan die dort genannten 15 Punkte bearbeitet, macht er zumindest nichts Schlimmeres.

7. Kenne dein Ziel

Einen eingeschworenen Klimaleugner wirst Du auf Social Media nicht überzeugen. Das ist auch verständlich. Schließlich haben Klimaleugner viele Stunden damit verbraucht, ihr Weltbild aufzubauen und auszuarbeiten. Das lässt man sich nicht so leicht kaputt machen. Das ist keine Frage von Fakten sondern der emotionalen Bindung. Hattest Du mal Pubertät? Hast Du deinen Eltern etwa zugestimmt, nur weil sie Recht hatten? Pah, wo kämen wir da hin.

Dennoch kann die Diskussion lohnen.  Auch von Klimaleugnern kann man etwas lernen. Welche Ängste oder Gegen“argumente“ gibt es? Wer sind die Akteure in der Szene? Welche Datenquellen oder Zahlen werden verwendet?

Ganz besonders aber gilt: Man schreibt immer für die, die mitlesen. Selbst wenn der Klimaleugner sich gegen Fakten wehrt, viele Mitlesende nehmen die Informationen gerne auf und freuen sich, dass Vogelschlag kein Problem ist.,

Zu guter letzt

Am Ende schreibe ich auch aus rein egoistischen Motiven: Erstens, als alter weißer Mann höre ich mich gerne reden. Zweitens bringen Kommentare Likes und neue Follower. Drittens gibt es manchmal Lob und darüber freue ich mich jedes Mal.

 

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