
An der Strombörse wird europaweit Strom gehandelt, auch für die . Wenn die Offshore Windparks Strom liefern und die Lesch Stahlwerke in Meitingen Strom brauchen, dann sind unsere Stromnetze gefragt, den Strom zu transportieren. Wenn aber alle bayerischen Verbraucher günstigen Windstrom von der Küste beziehen, ist es wie zum Ferienverkehr auf der Autobahn – es gibt Stau. Die Stromleitungen von Nord nach Süd haben nur begrenzte Kapazität. Nun ist Strom – vor allem aber die Stromkunden – ungeduldiger als Urlaubsreisende. Der Strom muss dann geliefert werden, wenn er gebraucht wird, völlig egal was die Stromnetze hergeben. Dafür sind die Netzbetreiber verantwortlich und Antwort auf Stromstau lautet Redispatch.
Konkret können die Netzbetreiber den Strom aus dem Offshore Park drosseln oder abregeln. Dafür springt dann meistens ein fossiles Kraftwerk aus Bayern ein und produziert den Strom vor Ort, um die Übertragungsnetze zu entlasten. Wir werfen kostenlosen Windstrom weg, um statt dessen Kohlekraftwerke in Bayern hochzufahren. Diesen Vorgang nennt man Redispatch.

Das Ergebnis sind mehr CO₂ sowie höhere Kosten. Denn Kohlestrom ist deutlich teurer. Außerdem wird der Windpark für seinen entgangenen Umsatz entschädigt, denn er hatte den Strom ja schon verkauft. Diese Mehrkosten trägt nicht etwa der Netzbetreiber, dessen Netz die heutigen Anforderungen nicht erfüllt. Die Kosten werden auf die Netzentgelte umgelegt und von allen Verbrauchern bezahlt. Redispatch Maßnahmen verursachten 2024 Kosten von knapp 2,8 Mrd € (Vorjahr 3,3 Mrd €). Das sind im Jahr 0,6 ct/kWh. Auch mussten 2024 etwa 3,5% der erneuerbaren Energien wegen solcher Engpässe abgeregelt werden, was etwa 9 Megatonnen CO₂ verursacht.
Eine Fiktion
Man könnte sich sogar drei Firmen vorstellen, die sich untereinander absprechen. Firma A baut große Windräder in Norddeutschland und Firma B hat Gas- und Kohlekraftwerke in Bayern. Dann sorgt Netzbetreiber C für Hürden und Verzögerungen beim Ausbau der Nord-Süd-Leitungen, vielleicht weil es unbedingt eine komplexe Erdverkabelung braucht. Jetzt kann Firma A Windstrom verkaufen, den sie mangels Netz nicht ausliefern kann. Dafür wird sie durch EEG-Gesetz und Redispatch-Gelder entschädigt. Firma B kann hingegen Kohlestrom verkaufen, der auf einem freien Markt viel zu teuer wäre. Netzbetreiber C koordiniert die Details und holt sich alle Ausgaben inkl. Gewinnmarge als Netzentgelte zurück. Das ist natürlich reine Fiktion. Solche Absprachen wären strafbar, und es wurde gesetzlich geregelt, dass Übertragungsnetzbetreiber nicht gleichzeitig Stromerzeuger sein dürfen. Deshalb gehört der Übertragungsnetzbetreiber Amprion auch nur zu 25,1% der RWE AG und die TransnetBW nur noch zu 50,1% der EnBW (Stand Juni 2024). In der Realität sind alle Beteiligten selbstverständlich ausschließlich am Wohl der Stromkunden interessiert, sowie an einer nachhaltigen Stromversorgung und würden unnötig teure Stromnetze und klimaschädliche Situationen mit strategischer Vorausschau verhindern. Schließlich sind Firmen ausschließlich ihren Kunden und dem Gemeinwohl verpflichtet und niemals ihren Anteilseignern und Gewinnmaximierung, nicht wahr?
Was kann man tun?
Zurück zu den Fakten. Eine mögliche Lösung des (technischen) Problems ist der Ausbau des Stromnetzes. Hätten wir mehr Stromtrassen, um Strom ohne Stau an sein Ziel zu bringen, bräuchte es den Redispatch nicht. Dafür wird derzeit u.a. die Südlink Trasse gebaut. Mit einer Kapazität von 4 GW wird sie zukünftig Küstenstrom in den Süden bringen und Solarstrom in den Norden. Da die Bayerische Regierung auf Verlegung von Erdkabeln pochte, statt die einfacheren Überlandleitungen zu verwenden, verzögerte sich das Projekt und es wird deutlich teurer. Mittlerweile wird jedoch fleißig gebuddelt und 2028 soll die Leitung dann vollständig ans Netz gehen.
Eine andere Lösung sind gut platzierte Stromspeicher. Diese kann man in ruhigen Zeiten schon mal aufladen. Wenn dann der Strombedarf steigt, hat man die Energie auf Vorrat und kann sie bedarfsgerecht verteilen.
Ein weiterer Hebel wären gut platzierte Verbraucher. Wenn viel Windenergie an der Küste entsteht, wäre es nur logisch, dort auch die großen Stromverbraucher hinzustellen, z.B. Wasserstoff Elektrolyseure. Dazu gibt es derzeit jedoch kaum Motivation, denn Verbraucher zahlen in München (fast) den gleichen Strompreis wie in Hamburg. Also verteilen die Firmen ihre Stromverbraucher nach Lust und Laune und verlagern das Transportproblem auf die Netzbetreiber. Die Kosten dafür trägt die Allgemeinheit. Das Ergebnis sind mehr Redispatch, mehr CO₂, sowie hohe Netzgebühren für alle.
Genau hier können Strompreiszonen Anreize schaffen für bessere Planung. So könnte man Deutschland in eine Zone Nord und Zone Süd trennen. Im Norden wäre der Windstrom dann entsprechend billiger durch kürzere Transportwege. Im Süden würde man für den Strom entsprechend mehr zahlen – oder ein paar eigene Windräder bauen. Solche regionalen Strompreiszonen sind bereits erfolgreich in Norwegen, Schweden und Italien. Allein beim Netzausbau könnten wir dadurch 192 Mrd € sparen.
Doch vielleicht sind Strompreiszonen ähnlich wie Smartmeter, Wärmepumpen und E-Autos – funktionieren überall, nur nicht in Deutschland. Schließlich sind wir ja auch nur die drittgrößte Volkswirtschaft, da kann man keine moderne Ideen erwarten. Wenigstens haben wir noch heißen Kaffee..