
Letzten Sonntag haben wir mit Strompreisen begonnen. Heute der zweite Teil.
Strom zu erzeugen, reicht allein noch nicht aus. Der Strom muss vom Windrad, Solarpark oder Kraftwerk auch zum Verbraucher kommen, genau dann, wenn er dort gebraucht wird. Dafür haben wir ein umfassendes Stromnetz. Dieses reicht nicht nur vom Windpark alpha Ventus in der Nordsee bis zur Zugspitzbahn in Garmisch-Partenkirchen. Dank europäischem Verbundnetz fließt der Strom bei Bedarf sogar von Portugal durch Deutschland bis Schweden. Die Kosten für Aufbau, Wartung, Betrieb und Steuerung dieses Stromnetzes werden als Netzentgelte auf alle Verbraucher umgelegt. Diese machen mehr als ein Drittel unseres Strompreises aus.
Stromnetz
Für die Erneuerbaren Energien müssen wir unsere Stromnetze anders aufstellen. Strom entsteht nicht mehr zentral in wenigen Kraftwerken, sondern dezentral in tausenden von Windrädern und PV-Anlagen. Das verändert Strommengen und Flussrichtungen und erfordert Anpassung.
Zum Vergleich: München ist heute eingerichtet auf 75.000 Fußballfans, die regelmäßig in die Allianz Arena wollen. Würden diese Fans vom Profifußball abrücken und ihre Wochenenden auf den umliegenden Fußballplätzen der Bezirks- und Regionalliga verteilen, dann würden sich mehrere Dinge ändern. Die Straßen zur Arena wären auf einmal verschenkter Platz, während an vielen regionalen Fußballplätzen die Straßen verstopfen und die Parkplätze überlaufen. Gleichzeitig hätten ganz viele Fußballclubs plötzlich gefüllte Vereinskassen, während die Fußballfans durch günstigere Ticketpreise sogar Geld sparen. Viele Menschen bessere Laune. Unterdessen müssten die Manager und Spieler vom FC ihre Flüge in Privatjets konsolidieren nur könnten seltener 1200 Euro für ein Steak bezahlen. In Talkshows würden sie krakelten, dass dezentraler Amateurfußball noch nie funktioniert hat und auch gar nicht funktionieren kann. Und Angela Merkel wäre überzeugt, Amateur und Regionalliga könnten langfristig nicht mehr 4% des Fußballbedarfs im Netz decken. Ich schweife ab.
Der Stromfluss im Netz ändert sich. Auch wird der Strombedarf durch Elektrifizierung in den kommenden Jahren stark steigen. Das erfordert hohe Investitionen. Etwa 500.000 km Kabel werden bis 2045 benötigt. Ein großer Teil davon entsteht allerdings nicht wegen sondern trotz der erneuerbaren Energien. Gerne wurden notwendige Investitionen aufgeschoben, um kurzfristig Geld zu sparen. Jetzt sind die Erneuerbaren Energien ein willkommener Anlass, viele Investitionen allein damit zu begründen. Auch werden insbesondere große Stromkonzerne nicht müde zu betonen, wie teuer die Energiewende angeblich wird, auch wenn Studien andere Zahlen belegen. Gleichzeitig leisten wir uns sehr, sehr teure Bauweisen. Wo andere Länder Stromkabel problemlos über Land verlegen, bestehen wir auf teuren Erdleitungen, insbesondere auf Wunsch von Bayern. Das kann man machen, kostet aber viel Geld und erschwert Reparaturen.
Auch bauen wir unser Stromnetz nicht unbedingt effizient. Die besten Stromerzeuger stehen off shore in der Nordsee und große Stromverbraucher stehen in Bayern und Baden-Württemberg. Würden wir neue Stromverbraucher gezielt da ansiedeln, wo Strom aus Erneuerbaren günstig produziert wird, könnten wir hohe Kosten für Netzentgelte sparen. Doch dafür gibt es bisher kaum Anreize. Die Netzbetreiber werden bezahlt für den Ausbau von Netzen und alle Kosten können Sie auf die Verbraucher umlegen. Effizientere und günstigere Netze bedeuten für Netzbetreiber in erster Linie weniger Umsatz und damit weniger Gewinn. Dies ist ein Interessenskonflikt, der leicht zu übertriebenen Ausbauplänen führen kann.
Strompreiszonen
Dabei gäbe es Marktinstrumente, die diesen Konflikt entschärfen. Derzeit gilt an der Strombörse überall in Deutschland der gleiche Strompreis. Schweden und andere Länder hingegen sind in mehrere Strompreiszonen unterteilt. Nahe den großen Stromerzeuger ist der Strom dadurch günstiger. In größerer Entfernung wird der Strom entsprechend teurer. In der Konsequenz siedeln sich große Energieverbraucher bei den Stromquellen an und das Stromnetz kann etwas kleiner konzipiert werden. Deutschland nutzt diesen Ansatz bisher nicht und hat nur eine einzige Strompreiszone. Das freut insbesondere die Netzbetreiber und kostet Geld. Der Ariadne Report errechnet für einen optimierten Netzausbau eine mögliche Einsparung von 192 Mrd € gegenüber der aktuellen Planung. Oder wie deutsche Banker sagen würden: „Peanuts“.
Verteilnetze
Auch innerhalb der Kommunen wird der Stromverbrauch steigen. E-Mobilität und Wärmepumpen brauchen viel Strom. Sie sind zwar sehr effizient und sparen fossile Brennstoffe, doch der Strombedarf eines Einfamilienhauses kann sich durchaus leicht verdoppeln. Daher müssen auch die Verteilnetze ausgebaut werden, die den Strom über die „letzte Meile“ in die Häuser bringen. Entsprechend viel Geld fließt derzeit an die Betreiber dieser Verteilnetze. Nun wäre zu hoffen, dass dieses Geld auch in der Infrastruktur ankommt und unsere zukünftigen Stromrechnungen entlastet. Anders gefragt: Wieviel Rendite sollte ein Netzbetreiber erwirtschaften? Das Geschäftsmodel ist langfristig. Dank regionaler Monopolstellung ist es risikoarm und durch Elektrifizierung ein Wachstumsmarkt. Regulatorisch sind für Verteilnetzbetreiber daher Renditen von 5% bis 7% vorgesehen. Im Jahr 2023 lag die Rendite regionaler Verteilnetzbetreiber bei durchschnittlich 20,2%, einzelne kommen auf 50%. Auch das kostet Geld.
Fazit
Stromnetze sind teuer. In Deutschland bauen wir sie auch noch besonders teuer durch Erdkabel und gleichzeitig nicht immer effizient. Durch bessere Planung und Strategie wären Einsparungen im dreistelligen Peanutsbereich möglich. Wenn wir diese nicht nutzen, bleibt die Stromrechnung weiterhin hoch. Für Netzbetreiber jedoch sind günstige und effiziente Stromnetze in Interessenskonflikt. Bevor der nächste Stammtisch wieder einmal alle Schuld auf die Erneuerbaren Energien schiebt, lohnt sich ein zweiter Blick. Welche Interessen stehen auf dem Spiel und wohin fließt mein Geld tatsächlich? Dies gilt nicht nur beim Strom und beim Klimawandel. Es gilt auch bei einer schönen Tasse heißen Kaffee…
P.S. Einen wichtigen Teil der Netzentgelte habe ich heute noch unterschlagen. Mehr dazu nächste Woche, dann ist wieder Sonntag.
To be continued…