Teil 32: Lebensmittelverschwendung

Landwirtschaft ist komplex. 8,2 Mrd. Menschen lassen sich nicht ernähren ohne Eingriff in die Natur. Unsere Ernährung hat einen immensen Flächenverbrauch, verursacht Emissionen und Arbeit. Sie kostet große Mengen Energie und viele Tiere das Leben. Da wollte man meinen, dass wir unsere kostbare Nahrung schätzen und würdigen, sowie sorgsam und sparsam damit umgehen? Leider nein.

Damit meine ich nicht mal den achtlos weggeschlürften Coffein-To-Go Becher für 99,50€ für den Kaffeebohnen, Becher und Deckel drei voneinander getrennte Weltreisen machen mussten. Auch nicht den hastig im Laufen verschlungenen Döner, bei dem deine Mitmenschen nur hoffen, du mögest fertig sein, bevor Du in die U-Bahn einsteigst. Das Thema heute lautet Lebensmittelverschwendung.

Zahlen bitte

Jedes Jahr landen 1 Milliarde Tonnen Lebensmittel ungenutzt im Müll. Teuer produziert und dennoch weggeworfen. Das sind 19% aller produzierten Lebensmittel – weltweit. Das was wir täglich wegwerfen würde ausreichen, für eine Mahlzeit für jeden hungernden Menschen dieser Welt. Dies zeigt uns der Food Waste Index Report. Wenn also wieder mal jemand behauptet, es gäbe nicht genug. Doch, es gibt mehr als genug. Es ist nur ungleich verteilt. Weitere 13% aller Nahrungsmittel schaffen es überhaupt nicht bis zum Verbraucher. Sie gehen verloren entlang der Lieferkette, sei es durch falsche Lagerung, Transportschäden oder auch einfach nur, weil die Karotte nicht hübsch genug ist und daher schon auf dem Feld aussortiert wird.

Damit arbeitet ein Drittel unserer Landwirtschaft im Wortsinne für die Tonne. Alleine in Deutschland landen 11 Millionen Tonnen Lebensmittel jedes Jahr im Müll. Das sind knapp 130 kg pro Kopf und Jahr. Rein rechnerisch könnten wir 20-30% der landwirtschaftlichen Flächen direkt renaturieren, den Landwirten für weniger Arbeit gleich viel zahlen und hätten immer noch genau so viel zu Essen wie vorher.

MHD

Mehr als die Hälfte (57%) dieser Verschwendung passiert in den Privathaushalten. Weggeworfen wird vor allem Gemüse. Warum machen wir das? Auf jedem Lebensmittel prangt deutlich sichtbar ein Mindesthaltbarkeitsdatum – das MHD. Viele Produkte werden unbesehen entsorgt, sobald dieses Datum abgelaufen ist. Schade, denn das MHD steht für „mindestens haltbar bis“ und keineswegs für „tödlich giftig ab“.

Nahezu alle Lebensmittel sind auch jenseits des MHD gut genießbar und lecker. Wenn das Essen einen seltsamen Geruch verströmt, pelzigen Belag bildet oder der Joghurt auf der Zunge bitzelt, sollte man wohl vorsichtig sein. Doch in den meisten Fällen sind die Lebensmittel auch Wochen nach MHD noch gut genießbar und genauso lecker.  (Ausnahme ist Hackfleisch. Hier bitte das MHD ernst nehmen oder noch besser ganz auf Hackfleisch verzichten. Lasagne schmeckt vegetarisch mit Linsen eh viel besser und auch für Spagetti Bolognese gibt es sehr gute Ersatzprodukte. Aber das ist ein anderes Thema)

Jeder kann Lebensmittelverschwendung vorbeugen durch sein eigenes Einkaufs- und Essverhalten. Kauft nur so viel wie ihr auch braucht, insbesondere bei verderblicher Ware. Wenn ihr wisst, dass ihr die Sachen bald verzehrt, greift extra zu den älteren Lebensmitteln. Das hilft den Supermärkten weniger wegzuschmeißen, denn die sind ans MHD gebunden.

Kreativ

Habt ihr euch doch mal verschätzt und Essen steht kurz vor dem Fall, werdet kreativ. Obst und Gemüse kann man einkochen und so länger haltbar machen. Wenn es gar zu viel ist, ladet Nachbarn und Freunde ein. Essen macht gemeinsam sowieso viel mehr Spaß. Auch sind Resteessen, ein guter Anlass, um mit Nachbarn über Nachhaltigkeit und Klima zu reden. Wenn Fragen auftauchen – schaut nach bei klimadialoge.de.

Ein ebenso großer Hebel liegt im saisonalen Kochen. Wer im Dezember unbedingt Spargel mit Erdbeeren will, dafür aber auf Weißkohl im Mai besteht, macht es der Landwirtschaft unnötig schwer. Schaut in den Saisonkalender. Dort findet man für jeden Monat die besten Zutaten. Das ist lecker, frisch, regional und fördert obendrein die Kreativität beim Kochen.

Auch bei der Zubereitung darf man toleranter sein. Wenn ich die Hälfte meines Gemüses schon vor der Zubereitung wegschneide, ist das nicht nur schade, sondern auch teurer. Brokolli-Röschen sind was Feines, doch auch der Strunk ist gut genießbar und sei es auch püriert.  Online gibt es noch mehr Tipps dazu und einmal im Jahr ist die Aktionswoche Zu gut für die Tonne. In der eigenen Küche kannst Du täglich einen genussvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Containern

Auch in Märkten und Supermärkten wandern viele Lebensmittel in den Müll nur weil das MHD abgelaufen ist oder die Gurke eine kleine Druckstelle hat. Vielen ist dies ein Dorn im Auge, und sie gehen nach Ladenschluss „containern“. Das heißt, sie untersuchen die Müllcontainer der Supermärkte und fischen die noch guten Waren heraus, um der Verschwendung entgegenzuwirken. Wer nicht gerne im Container wühlt, findet auf Onlineplattformen wie sirplus abgelaufene Produkte für kleines Geld. Probier‘s mal aus. Fühlt sich das komisch an? Dann bist Du von der Werbung für immer Neues vielleicht doch stärker beeinflusst, als Du dachtest?

In Frankreich gibt es seit 2016 ein Gesetz, dass Supermärkten das Wegwerfen von Lebensmitteln verbietet. Die Supermärkte sind seitdem verpflichtet, genießbare unverkaufte Waren zu spenden. Das hilft dem Klima und versorgt viele Bedürftige.  In Deutschland hingegen ist Containern strafbar nach § 242 StGB Diebstahl und § 123 StGB Hausfriedensbruch. In Frankreich ist es strafbar, Lebensmittel zu verschwenden – in Deutschland ist es strafbar, sie zu retten. Jedes Land hat seine eigene Art, mit Überfluss umzugehen.

All-you-can-eat

Einen anderen Beitrag liefert Herr Chien Yung Cheok. Er betreibt den „Goldenen Wok“ in Erfurt und bietet seinen Gästen ein all-you-can-eat Buffet. Ihm waren die allabendlichen Abfallberge ein Dorn im Auge. Jetzt gilt im Goldenen Wok: Wer seinen Teller nicht leer isst, zahlt Strafe. Auch weiterhin darf jeder essen, so viel er möchte. Doch wer sich voller Gier den Teller vollpackt, nur um dann die Hälfte liegen zu lassen, der zahlt 5€ Strafgebühr. Dadurch wurden Abfälle vermieden, die Kosten gesenkt und die Gäste sind zufrieden. Und wer beim ersten Mal nicht satt geworden ist, der darf sich nochmal nachnehmen, hoffentlich auch eine Tasse heißen Kaffee.

Nachtrag

Die Zählweise für Lebensmittelabfälle beschreibt das BMEL auf seiner Webseite. Gezählt werden z.B. nicht essbare Teile wie Bananenschalen oder Maisblätter. Nicht gezählt werden im Abwasser entsorgte Lebensmittel sowie die Verluste vor/während der Ernte oder Schlachtung.

Durch sorgsameren Umgang mit den vorhandenen Lebensmitteln können wir viel bewirken und sparen dabei noch Geld. Wenn sich die Lebensmittelabfälle jedoch nicht vermeiden lassen, achtet auf eine gute Trennung. In der Biotonne kann der Abfall immerhin noch etwas Gutes bewirken. Als Material für die regionale Biogasanlage.

Jetzt Newsletter abonnieren

Hat Dir der Text gefallen? Dann trage dich hier ein und erhalte jeden Sonntag den neuesten Text per E-Mail...

Tut gut, ist kostenfrei und jederzeit kündbar

Jetzt Newsletter abonnieren

Hat Dir der Text gefallen? Dann trage dich hier ein und erhalte jeden Sonntag den neuesten Text per E-Mail...

Tut gut, ist kostenfrei und jederzeit kündbar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert