Episode 41: Klimaforschung – Das Öl-Imperium schlägt zurück

In den frühen 1980ern war die Welt noch in Ordnung. Das Space Shuttle startete von Cape Caneveral. Musik kam aus dem Walkman. Indiana Jones eroberte die Kinos. Frank Elstner moderiert zum ersten Mal Wetten dass…?, Trio sang Da Da Da. Der neue Bundeskanzler rauchte Kette und die Amerikaner wählten ihren Lieblingsschauspieler zum Präsidenten. Der Klimawandel war bekannt und gut erforscht, die notwendigen Maßnahmen waren klar. Es hätte so einfach sein können.

Denn nicht nur Wissenschaft und Politik hatten die Zeichen erkannt. Auch die großen Ölkonzerne als Hauptverursacher hatten Klimaforschung zuletzt aktiv unterstützt und kannten den Klimawandel und seine Folgen sehr genau (Credits an Joshua Ben für die Zusammenstellung): 

Die Ölkonzerne erkannten die Gefahr des Klimawandels und sie handelten schnell und entschlossen. Denn die Daten waren klar und deutlich, der Klimawandel war und ist eine Bedrohung. Würde der Klimawandel allgemein bekannt, dann wäre es vorbei mit dem schönen Öl und vor allem mit den sensationellen Gewinnen des Ölgeschäfts. Rund 2,8 Mrd US Dollar Gewinn erwirtschaftet die Ölindustrie… seit 1980 … pro Tag. Die Krawattenträger von BigOil nutzten ihr Geld und starteten die vermutlich größte Desinformationskampange, seit der Marlboro Mann erklärte, wie gesund Rauchen doch sei.

Unter der Regie von BigOil entstanden das Heartland Institue, die Global Climate Coalition, das Committee for a Constructive Tomorrow, das Atlas Network und andere nette Institute. Ihre Aufgabe: Sähe Zweifel am menschengemachten Klimawandel, der Klimaforschung und den Auswirkungen.

Denn je länger die Menschen zweifeln, umso später beginnen sie zu handeln. Durch Anzweifeln und Desinformationen gelingt es, wirksamen Klimaschutz immer wieder zu blockieren und zu verlangsamen, auch heute noch. Die massiven Desinformations-Kampangen ziehen sich über Jahrzehnte bis ins aktuelle Jahrhundert und bis heute. Detailliert beschrieben sind diese im Climate Deception Dossiers. Das Dokument zeigt unter anderem Memos von 1998 (PDF Seite 18). Dort schreibt das American Petroleum Institute (BP, Chevron, ConocoPhillips, ExxonMobil, Shell) zur Desinformations-Strategie:

“Victory will be achieved when average citizens ‘understand’ (recognize) uncertainties in climate science.”

„Gewonnen haben wir, wenn Durchschnittsbürger die Unsicherheiten in der Klimawissenschaft ‚verstehen‘ (erkennen).“ – American Petroleum Institute, 1998

Noch im Jahr 2000 befeuerte Exxon die Desinformationen aktiv. In der New York Times schaltete Exxon Advertorials – das sind „lehrreiche Werbeanzeigen“ – mit dem Ziel, die Klimaforschung in Frage zu stellen und Klimaschutz zu verschleppen:

So, while some argue that the science debate is settled and governments should focus only on near-term policies — that is empty rhetoric. Inevitably, future scientific research will help us understand how human actions and natural climate change may affect the world and will help determine what actions may be desirable to address the long-term

Während einige behaupten, die wissenschaftliche Debatte sei abgeschlossen und Regierungen sollten sich nur auf kurzfristige Maßnahmen konzentrieren – ist das leere Rhetorik. Zukünftige wissenschaftliche Forschung wird uns unweigerlich helfen zu verstehen, wie menschliches Handeln und natürlicher Klimawandel die Welt beeinflussen könnten, und wird helfen zu bestimmen, welche Maßnahmen langfristig wünschenswert sein könnten. – Exxon Advertorial 2000

Man beachte die gelungenen Konjunktive und Vertagungen in eine unbestimmte Zukunft. Zum Glück waren die Ölkonzerne nicht die einzige Stimme. Trotz der massiven Desinformation gelangen auch Fortschritte und Erfolge.

1988 wurde der Weltklimarat IPCC gegründet. Auf Basis der jeweils aktuellsten Forschungen veröffentlicht das IPCC seitdem alle sechs Jahre den Weltklimabericht mit konkreten Empfehlungen an Politik und andere Akteure. Bis heute eine zentrale Instanz für alle Klimafragen. Auch Deutschland wurde aktiv. Der Bundestag setzte 1987 die Enquete Komission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ ein. Mit deutscher Gründlichkeit erarbeitet stellt diese nach nur sieben Jahren im Jahr 1994 ihren Abschlussbericht vor, kompakt auf 748 Seiten. Fazit: „Yo, es besteht Handlungsbedarf. Wir sollten uns geeignete Maßnahmen überlegen.“

1992 einigten sich die Vereinten Nationen in Rio de Janero auf die Klimarahmenkonvention und verpflichteten sich zu freiwilligem Klimaschutz. 1997 folgte das Kyoto-Protokoll mit verbindlichen Klimazielen zur Reduktion der Emissionen sowie Emissionshandel. Das alles blieb angenehm unverbindlich und erinnert rückwirkend eher an Homöopathie, denn an ernsthafte Maßnahmen.

2007 fasste das IPCC  den Wissensstand nochmal zusammen. Wie üblich klingt ordentliche Wissenschaft dabei etwas sperrig:

Warming of the climate system is unequivocal …
Most of the observed increase in global average temperatures since the mid-20th century is very likely due to the
observed increase in anthropogenic GHG concentrations

Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig…
Der größte Teil des beobachteten Anstiegs der globalen Durchschnittstemperaturen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich auf den beobachteten Anstieg anthropogener Treibhausgaskonzentrationen zurückzuführen.

(IPCC, AR4 Climate Change 2007: Synthesis Report)

Prägnanter formuliert es Anthony Leiserowitz von der Yale University:

„It’s real. It’s us. It’s bad. Experts agree. There’s hope.”
(Anthony Leiserowitz, 2017)

Erst 2015 einigte man sich dann auf ein ernsthaftes Klimaschutzabkommen. Im Übereinkommen von Paris wird festgelegt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°, möglichst auf auf 1,5° zu begrenzen. Das Abkommen wird weltweit von 195 Staaten anerkannt und ratifiziert, darunter die Europäische Union.

2018 setzt sich ein junges Mädchen vor ihre Schule in Stockholm. Auf ihrem Pappschild steht „Skolstrejk för Klimatet„. Im Jahr darauf waren über 7 Millionen Menschen gemeinsam mit Fridays for Future auf der Straße und demonstrierten für mehr Klimaschutz. Ihre Kernforderung: Hört auf die Wissenschaft!

2020 verabschiedet die EU den „European Green Deal“. Über die ESG Richtlinien erhielt Klimaschutz damit auch Einfluss auf den europäischen Geldmarkt und nachhaltige Investments wurden wichtiger. Zwei Jahre später beschließen die USA mit dem Inflation Reduction Act ihr bislang größtes Paket für den Umweltschutz. Auch China investiert heute massiv in erneuerbare Energien. 2024 gelang der Turnaround, seitdem gehen die Emissionen in China langsam zurück.

Doch immer noch gibt es starken Gegenwind. Die zweite Amtszeit der Kampforange aus Übersee ist für den Klimaschutz ein herber Rückschlag. Im Februar 2025 weicht die EU mit dem „Omnibus simplification package“ schon geschaffene Klimaschutzregeln wieder auf. Unser neuer Bundeskanzler lässt jede Gelegenheit für intelligente Aussagen ungenutzt und Energieministerin Reiche baut lieber unnötige Gaskraftwerke und torpediert die erneuerbaren Energien.

Die aktuelle Politik gefährdet damit nicht nur unseren Wohlstand sondern auch die Lebensgrundlagen für alle zukünftigen Generationen. Bei ungebremsten Emissionen erwarten uns in den kommenden Jahren bis zu 150 Millionen Klimaflüchtlinge. Klimaschutz ist die wichtigste Aufgabe für unsere Zukunft und muss wieder das vorrangige Thema in Politik und Gesellschaft werden. Die Zeit ist knapp und die nächste Bundestagswahl kommt dafür zu spät. Wir müssen wieder auf die Straße und schneller handeln. Denn immer noch verdient die Fossile Industrie 2,8 Mrd. US Dollar mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen – jeden einzelnen Tag.

So endet es heute düster. Hoffen wir auf Episode 42: Die Rückkehr der Klimaretter. Machst Du mit?

Quellen

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