Teil 22: CCS

CO₂ heizt den Klimawandel an und zerstört so unsere Lebensgrundlagen. Deshalb müssen wir CO₂-neutral werden. Das bedeutet Veränderungen. Was wäre, wenn wir das CO₂ einfangen und dann verstecken, wo es niemand sieht und es die Luft nicht weiter aufheizen kann? Darf dann alles so bleiben, wie es ist? Diese Idee heißt Carbon Capture and Storage, kurz CCS. Dabei wird CO₂ eingefangen, unterirdisch gelagert und so dem Kreislauf entzogen.

Ist das nicht prima? Erst pumpen wir Öl und Gas aus dem Boden. Damit heizen wir unsere Häuser und produzieren Strom. Das lästige CO₂ fangen wir wieder ein und pumpen es in die Erde zurück. Problem gelöst, Energiewende stoppen, alles kann bleiben wie es ist.  Hier ist alles super. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein? Spoiler: Ist nicht wahr.  Für jedes menschliche Problem gibt es eine Lösung – sauber, einleuchtend und falsch (H.L. Mencken). Oft stehen diese einfachen Lösungen auf blau gefärbten Wahlplakaten, aber das ist ein anderes Thema.

Gleich vorweg: CCS ist eine teure, teils taugliche Teillösung, trotzdem trickreiches, täuschendes Torpedieren toller tragfähiger Technologien. Doch der Reihe nach.

Wie wird CO₂ einfangen?

Naheliegende Antwort: Mit großen Luftfiltern. Da pusten wir Luft durch und filtern das CO₂ raus. Das Filtern geht wahlweise chemisch über Aminwäsche, alternativ mit Hilfe von Kaliumhydroxid oder Natriumhydroxid. Das CO₂ wird dadurch erst gebunden und anschließend durch Hitze kontrolliert ausgelöst / regeneriert. Alternativ gibt es feste Absorber wie Zeolithe, Aktivkohle, Metallorganische Gerüste (MOFs) oder Calciumoxid, die CO₂ aufnehmen und später unter Hitze oder Druck wieder abgeben. Auch eine Trennung über CO₂-durchlässige Membranen ist teilweise machbar. Das Ergebnis ist hinreichend reines CO₂ und … ein hoher Energieverbrauch.

Wo wird Carbon Capture eingesetzt?

Man kann das CO₂ direkt aus der Umgebungsluft filtern, bekannt als Direct Air Capturing DAC. Da CO₂ aber nur 0,04% der Luft ausmacht, muss man sehr, sehr viel Luft durchsieben, um nennenswert CO₂ zu sammeln.

Leichter ist es, das CO₂ direkt abzufangen wo es entsteht, im Abgasstrom von Kraftwerken oder Industrieanlagen. Hierbei spricht man von post combustion capture,  also das Einsammeln nach der Verbrennung. Kann man machen und wird auch gemacht.

Dazu passend gibt es dann auch ein pre combustion capture, also das Abfangen noch vor der Verbrennung. Das ist nichts anderes als eine komplizierte Umschreibung für die Herstellung von schwarzem bzw. grauen Wasserstoff.

Besonders kreativ finde ich die Variante Oxyfuel. Dabei wird nicht mit Luft verbrannt, sondern mit reinem Sauerstoff. Brennt sehr gut und als Abgas entsteht nur CO₂ und Wasserdampf. Der Wasserdampf lässt sich dann durch einfaches Abkühlen trennen. Allerdings muss man vorher den Sauerstoff aus der Luft filtern und das – Überraschung – kostet wieder Energie.

Wohin mit dem CO₂?

Das CO₂ kann man unterirdisch verpressen. Als Lagerstätte eignen sich spezielle Gesteinsformationen aus Basaltgestein oder auch Salzwasser-Aquifere, also poröse Gesteinsschichten mit Salzwasser. Im Basalt reagiert das CO₂ zu Calciumcarbonat (CaCO3), bzw. Kalkstein und im Salzwasser zu Kohlensäure und ist dann – im Idealfall – über Jahrhunderte stabil gebunden.

Entsprechende Formationen findet man z.B. unter der Nordsee oder auch – Ironie des Schicksals – in leergepumpten Erdgasfeldern. Geeignete Lagerstädten gibt es in großer Zahl. Unter anderem Norwegen hat CO₂-Speicherung zum Geschäftsmodell gemacht. Erst verkaufen sie das Erdgas und anschließend entsorgen sie kostenpflichtig das CO₂. Auch in Island gibt es CCS-Projekte.

Statt CO₂ zu verstecken, lässt es sich auch als Rohstoff neu einsetzen. Neudeutsch ist das dann Carbon Capture and Utilization oder CCU.  Mögliche Verwendung findet CO₂ für Plastik, E-Fuels, Harnstoff für Düngemittel, als „Luftdünger“ für Gewächshäuser oder auch einfach als Kohlensäure in Softdrinks und Bier. Das macht aber nur Sinn, wenn man das CO₂ nicht letztlich doch wieder freisetzt, zum Beispiel weil Plastik oder E-Fuels wieder verbrannt werden.

Was kostet das?

Vor allem kostet es Energie, abhängig vom Prozess mal mehr oder sehr viel mehr. Je nach Verfahren verliert man 10% bis 40% an Effizienz, muss also noch mehr Kohlenstoff verbrennen, um die CO₂-Abscheidung mit Energie zu versorgen. Geld kostet es dann auch noch. Die Speicherung von wird je nach Lagerstätte mit 88 bis 205 Euro pro Tonne CO₂ angegeben.

Bei Direct Air Capture, also CO₂ aus Umgebungsluft, schätzt man die Kosten bis zu 1000 Euro pro Tonne. Umgerechnet auf Benzin wäre das ein Aufpreis von 2,37 €/l. Dagegen wirkt der europäische CO₂-Preis auf einmal sehr bescheiden.

Fazit

CCS ist technisch machbar, wird heute schon eingesetzt und es gibt auch größere Lagerstätten für CO₂. Der Energieaufwand und die Kosten für diesen Prozess sind jedoch immens. Gleichzeitig verleitet CCS dazu, die notwendige Transformation zu verschleppen. CCS kann helfen bei unvermeidbaren Emissionen. Dies ist in erster Linie die Zementindustrie, konkret die Herstellung von Zementklinker, oder die Abfallverbrennung (wobei wir Abfall besser vermeiden und recyclen als verbrennen).

Auch gibt es mit der Pyrolyse ein anderes Verfahren, um dem Kreislauf CO₂ zu entziehen. Dabei ist Pyrolyse heute schon wirtschaftlich mit positiver Energie und Klimabilanz und ebenfalls gut skalierbar. CCS bleibt dagegen eine teure teilweise taugliche Teillösung, trotzdem trickreiches, täuschendes Torpedieren toller tragfähiger Technologien. Dann lieber tollen Tee trinken.

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