
Unser Strompreis teilt sich in drei große Blöcke. Die Steuern und Abgaben sowie die Netzentgelte (inkl. Redispatch) haben wir uns angeschaut. Heute geht es an die Beschaffung.
Deine Stromrechnung erhältst Du von deinem Stromanbieter. Dieser wiederum kauft den Strom im Großhandel. Dafür fahren früh morgens fleißige Kobolde auf den Strommarkt, suchen sich den besten Strom aus, feilschen mit den Verkäufern, laden die erstandenen Stromstücke in ihren Lieferwagen und legen Dir anschließend deinen Lieblingsstrom vor die Haustür, nett verpackt und ready to use. Ach nee, ich glaube das war anders.
Strom wird an der European Power Exchange (EPEX) Strombörse gehandelt. Hier kaufen Stromanbieter, aber auch Großabnehmer wie Rechenzentren oder Industriebetriebe ihren Strom. Dazwischen tummeln sich zahlreiche Zwischenhändler mit den verschiedensten kreativen Stromprodukten. Für die Strombeschaffung gibt es drei Märkte – Futures, Day Ahead und Intraday.
Futures & PPAs
Futures beziehen sich auf mittel- und langfristige Geschäfte, alles was weiter weg liegt als der nächste Tag. Das können Lieferungen für übermorgen sein, aber auch Verträge für Strommengen in drei oder zehn Jahren. Zusätzlich schließen Stromeinkäufer bilaterale Verträge mit einzelnen Anbietern, sogenannte Power Purchase Agreements kurz PPA. Diese laufen auch außerhalb der Börse im „Over the Counter“ OTC-Markt. Futures und PPAs liefern kalkulierbare und günstige Strompreise und bilden den Terminmarkt. Die Erzeuger gewinnen dadurch langfristige Planungs- und Investitionssicherheit. Mit Futures und PPAs decken die Stromkäufer den größten Teil ihres Strombedarfs.
Spot Markt
Day Ahead und Intraday bilden hingegen den Spot-Markt. Im Day Ahead Markt wird der detaillierte Strombedarf für den kommenden Tag verhandelt. Bis 12:00 Uhr geben die Erzeuger dort ihre Angebote ab für den folgenden Tag runtergebrochen auf die einzelnen Stunden, seit Oktober 2025 auf Viertelstunden. Auf dieser Basis machen die Netzbetreiber dann die Stromflussplanung für den nächsten Tag. Passen alle Strommengen durch das Netz oder braucht es Redispatch?
Trotz guter Planung sind die Vorhersagen nie exakt. Mal schiebt sich eine unerwartete Wolke über den Solarpark, Quallen schwimmen in ein Atomkraftwerk, Diesel-Dieter lädt heimlich seinen Elektrozweitwagen, Tante Erna backt überraschend einen Kuchen für ihre Nichte oder Denise-Chantal sagt aus Liebeskummer ihre große Fete ab. In all diesen Fällen muss der Strommarkt kurzfristig reagieren und die richtige Strommenge ins Netz bringen. Dafür wird Strom am Intraday Markt gehandelt. Je nach Lage und Tageszeit kann Strom hier sehr teuer werden (Quallen), oder auch sehr günstig (wenn die Julisonne scheint).
Dynamische Tarife
Als privater Stromkunde kriegt man von all dem nichts mit. Man zahlt monatlich einen Abschlag und einmal im Jahr kommt eine Stromrechnung, völlig egal wann man Kuchen gebacken oder Parties abgesagt hat. Das ändert sich. Seit Januar 2025 müssen alle Stromanbieter auch einen dynamischen Stromtarif anbieten. Wer flexibel ist, nutzt einen solchen und spart Geld. Trendsetter hierfür sind Unternehmen wie Tibber, OctopusEnergy und andere. Dabei ist dein Strompreis nicht mehr fix, sondern folgt dem Börsenstrompreis im 15 Minuten Takt. Per App kann man einsehen, was der Strom im Moment und in den nächsten 48 Stunden kosten wird. Ob ich mein E-Auto sofort lade oder besser erst morgen Nachmittag kann ich dann am Strompreis entscheiden. Gerade bei den großen Verbrauchern E-Autos und Wärmepumpe lässt sich so gutes Geld sparen. Gleichzeitig sind hohe Strompreise dann auch ein unschlagbares Argument, warum man jetzt gerade im Moment „leider“ keine Wäsche waschen kann sondern lieber nochmal die sortierten Klimadialoge liest. Natürlich mit einer heißen Tasse Kaffee.