
Letzte Woche sprachen wir über Wald. Ein guter Wald ist Raum für Natur und gleichzeitig eine wirksame Kohlenstoffsenke. Deshalb bemüht man sich weltweit um Wiederaufforstung. Doch Achtung: Aufforstung und Renaturierung sind eine Ergänzung zur Energie- und Klimawende, niemals Ersatz. Wälder aufforsten und gleichzeitig weiter Öl verbrennen ist so wirksam, wie überkochendes Nudelwasser aufzuwischen, während man gleichzeitig die Herdplatte hoch dreht. Der Topf muss vom Herd, nur dann lohnt sich das Aufwischen.
Wir haben bereits mehr Kohlenstoff ausgebuddelt und verbrannt, als die Natur in Jahrtausenden einlagern kann. Kohle, Öl oder Gas ausbuddeln ist eine schlechte Idee. Schluss damit. Fossiler Kohlenstoff gehört unter die Erde.
Pflanzen, Bäume und Natur wollen wir zusätzlich. Diese helfen, Kohlenstoff wieder unter die Erde zu bringen. Besonders viel Kohlenstoff ist gespeichert in nassen natürlichen Moorlandschaften.
Der Vorteil von Mooren liegt auf der Hand, beziehungsweise im Wasser. Blätter, die von Bäumen fallen (auch ein guter Titel für einen Arthouse Film), liegen normalerweise auf dem Boden mit Luftkontakt und verrotten. Damit setzen sie viel Kohlenstoff wieder frei. Fallen die Blätter jedoch ins Wasser, bekommen sie keine Luft ab, werden anaeorob zersetzt und mehr Kohlenstoff bleibt gespeichert. Gleiches gilt für alle anderen Pflanzenteile. Die Biomasse sinkt auf den Grund, und vertorft, ein sehr cooles Wort für „anerobe Zersetzung mit Torfbildung“.
Torfbildung wiederum wäre ein gutes Wort für den Intellekt von AfD-Mitgliedern, meint aber die Entstehung von Torf. Torf ist eine braune Masse, entsteht im sumpfigen Gebiet, besteht nur aus altem Kram und sollte nicht im Bundestag auftauchen. Ach neh, das waren wieder die AfD-Mitglieder.
Im Gegensatz dazu ist Torf ist ein tolles Zeug. Liegt wehrlos am Moorboden herum und ist so ziemlich der beste Dünger, den man sich wünschen kann. Deshalb hat der Teutone in den letzten Jahrhunderten deutsche Moore trockengelegt und große Mengen Torf abgebaut. Zu Ehren dieser Idee besingen wir heute noch den schönen Beruf des Torfstechermeisters. Auch als Brennstoff wurde Torf lange eingesetzt, so eine Art Braunkohle auf Wish bestellt.
Weil das so gut klappt und weil Moorboden so fruchtbar ist, haben wir die meisten unserer Moorflächen trockengelegt und 86% werden für Land- und Forstwirtschaft verwendet.
(Quelle Mooratlas 2023, Seite 20)
Der geübte Leser ahnt bereits das Problem. Moore und Torf sind so gute Kohlenstoffspeicher, weil Wasser den Sauerstoff fernhält. Was passiert, wenn man ein Moor, mit ganz viel Kohlenstoff darin, trockenlegt? Sauerstoff und Mikroorganismen kuscheln mit dem Kohlenstoff und in die Luft sprudelt haufenweise CO₂.
Allein die trockengelegten Moorböden in Deutschland bringen jedes Jahr 53 Megatonnen CO₂ in die Luft. Das sind 7,5% unserer Emissionen insgesamt, mehr noch als der innerdeutsche Flugverkehr. Aus der weltbesten Kohlenstoffsenke haben wir eine riesige Kohlenstoffquelle gemacht. In diesem Sinne sind trockengelegte Moore nicht nur fruchtbar sondern auch furchtbar. Durch den Luftkontakt löst sich immer mehr Torf quasi in Luft auf. Dieser Effekt ist so massiv, dass ganze Landstriche mit der Zeit absinken. Holland liegt in weiten Teilen heute unter dem Meeresspiegel. Das liegt nicht nur am steigenden Meer, sondern auch an der Torfzersetzung. Holland „verdunstet“ sozusagen und kommt dem steigenden Meer damit auch noch entgegen.
Tatsächlich sind nasse Moore so ziemlich der beste Natur- und Klimaschutz, den wir kriegen können. Nicht nur bieten Moore Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Die Moore speichern mehr Kohlenstoff als alle Wälder und mehr als das gesamte Grasland – weltweit.
(Quelle Mooratlas 2023, Seite 10)
Darin liegt gleichzeitig eine Chance für unseren Klimaschutz. Wenn wir uns durchringen, Teile unserer Moore wieder zu vernässen, gewinnen wir Natur, Biodiversität und stoppen einen Großteil der Emissionen. Ist das ein Plan?
Dafür müssen wir mit ein paar Landwirten reden. Vor allem in Norddeutschland liegen die meisten Moore. Die Landwirte weiden auf den trockenen Moorflächen derzeit ihre Kühe und bauen netterweise jede Menge Lebensmittel an, die wir alle wiederum gerne essen wollen. So ganz nebenbei verdienen die Landwirte damit auch ihren Lebensunterhalt und wollen das wohl auch weiterhin. Hier wird die Wiedervernässung nicht einfach.
Landwirtschaft wäre auch auf vernässten Moorflächen möglich. Das nennt sich dann Paludikultur. In Hessen leben Wasserbüffel im Moor. Schilf oder Rohrkolben lassen sich in Mooren anbauen. Diese sind als Salat zwar ungeeignet, dafür aber als Bau- und Dämmstoffe einsetzbar. Mit Wildreis, Wasserkastanie und Brunnenkresse gäbe es sogar moorfähige Lebensmittel. Die sind in Deutschland jedoch selten. Tierfutter hingegen lässt sich auch auf Niedermooren gewinnen. Das muss man aber noch durch eine Kuh durchfüttern, bevor der Mensch etwas davon hat.
Fazit
Bisher ist Paludikultur ein sehr kleiner Zweig der Landwirtschaft. Das Themenportal Moor beschreibt ein paar Projekte dazu. Für einen wirksamen Klimaschutz sind gesunde Moore sogar wichtiger als Wälder. Durch weniger Milch- und Fleischprodukte können wir einen Teil unserer Moorflächen freigeben, wieder vernässen und der Natur zurückgeben. Dies erfordert eine Veränderung unserer Essegewohnheiten und eine Einigung und gute Ausgleichsregelung für Landwirte, die mit dem Land nicht nur ihren Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch unsere Ernährung sichern. Ohne unsere Landwirte gäbe es auch kein leckeres Vollkornbrötchen zu meinem heißen Kaffee.
Nachtrag
Ein wiedervernässtes Moor erreicht leider nicht die Qualität einer unberührten Moorlandschaft. Das frisch vernässte Moor wird immer noch Methan und CO2 freisetzen. Dennoch sind diese „wiedervernässten Emissionen“ drastisch kleiner als im trockenen Zustand. Noch besser wäre lediglich eine Zeitmaschine, mit der wir die Trockenlegung in den letzten Jahrhunderten verhindern. Ich schau mal, ob ich im Keller noch einen Fluxkompensator finde.
Anhang
- Der Mooratlas 2023 der Heinrich Böll Stiftung
- Themenportal Moor – mit schönen Videos.