Episode 40: Klimaforschung – Eine neue Hoffnung

So ein Ärger. Draußen regnet es, auf den Straßen ist Stau, ich muss noch Wäsche waschen, ich habe noch nicht gekocht und jetzt kommt auch noch der Klimawandel dazu. Das passt mir gerade überhaupt nicht. Hätte man uns da nicht früher vorwarnen können?  Spoiler: Wir wurden gewarnt mehrfach, laut und klar. Was schätzt ihr, wann wurde die Wirkung der Treibhausgase erstmalig beschrieben?

Die erste Theorie zu Treibhausgasen stammt von Jean-Baptiste Joseph Fourier aus dem Jahre 1824. Vor nunmehr zweihundert Jahren postulierte er, dass Gase in der Atmosphäre die Wärmespeicherung beeinflussen. Bekannter wurde er  allerdings durch seine Arbeiten zur heutigen Fourieranalyse, die seitdem nicht nur Mathematiker und Maschinenbauer im Grundstudium quält, sondern auch auf deinem Handy Musik im MP3-Format ermöglicht.

Erste Experimente und konkrete Zahlen gab es dann 1856. Frau Eunice Newton beschrieb in ihrer Arbeit die Auswirkung von Sonnenlicht auf verschiedene Gaskonzentrationen unter Laborbedingungen und benannte die beiden wichtigsten Klimagase Kohlendioxid und Wasserstoff. Drei Jahre später 1859 lieferte John Tyndall die ersten Ergebnisse zum natürlichen Treibhauseffekt unter freiem Himmel.

Es folgte 1896 Svante Arrhenius. Er berechnet die genaueren Auswirkungen von CO₂ und beschreibt erstmalig, dass die menschlichen CO₂ Emissionen die Erde aufheizen könnten. Damals hielt Arrhenius das noch für eine gute Nachricht, um eine befürchtete Eiszeit zu verhindern. Unterstützung erhielt diese These 1938 aus Kanada von Guy Steward Callendar. Er berechnete die tatsächliche Erderwärmung auf 0,005° pro Jahr und fand dies zu hoch für einen rein natürlichen Prozess. Heute wünschten wir, die Erderwärmung wäre tatsächlich so niedrig, wie in seinen Berechnungen. Doch auch Callendar hielt höhere Temperaturen noch für eine gute Idee.

Skeptischer äußerte sich Meterologe Hermann Flohn dann 1941, als er die Wirkung von Städten, Stauseen, Wäldern auf das lokale Mikroklima untersuchte:

„Mit einem Fortschreiten dieser sehr langsamen Erhöhung der Temperatur … muss gerechnet werden. Damit wird aber die Tätigkeit des Menschen zur Ursache einer erdumspannenden Klimaänderung, deren zukünftige Bedeutung niemand ahnen kann.“ – Hermann Flohn 1941

Vielleicht waren die Deutschen damals schon bekannt für ihre „German Angst“. Wahrscheinlicher hat auch der tobende Krieg vom Klima abgelenkt – ein Phänomen, dass wir leider heute noch beobachten. Jedenfalls verhallten Flohns Warnungen ungehört. Die Wissenschaft blieb skeptisch, und schob die erhöhte CO₂-Konzentration überwiegend auf natürliche Quellen wie verrottende Pflanzen.

Dies änderte sich 1957. Roger Revelle und Hans Suess untersuchten die Konzentration des C-14-Isotops in der Atmosphäre und lieferten dabei die wichtigste Methode zum Nachweis des menschengemachten Klimawandels.

C-14 ist ein radioaktives Isotop von Kohlenstoff. Es entsteht in der Atmosphäre durch kosmische Strahlung und zerfällt dann langsam zu C-12. Lebende Pflanzen nehmen durch Photosynthese C-12 und C-14 in einem festen Verhältnis auf. Jede lebende Pflanze hat also das gleiche Mengenverhältnis von C-12 zu C-14. Stirbt die Pflanze, nimmt sie kein C-14 mehr auf. Ihr Vorrat zerfällt langsam zu C-12.  Kohle, Öl und Gas sind sehr sehr alte tote Pflanzen. Sie enthalten nur noch C-12 und kein C-14 mehr. Durch die fossile Verbrennung erhöht sich der C-12-Gehalt in der Atmosphäre. Dieser „Suess-Effekt“ ist messbar und beweist: Das CO₂ in der Luft ist zu 30% menschengemacht.

(Mit dem gleichen Ansatz kann man auch messen, wieviel unseres CO₂ die Ozeane aufnehmen (zu wenig) und welchen Einfluss Vulkane auf den Klimawandel haben (ebenfalls wenig). Bei Vulkanen geht es dann um das C-13-Isotop, doch das überspringe ich hier.) Revelle und Suess fassen zusammen:

„Die Menschheit führt derzeit ein groß angelegtes geophysikalisches Experiment durch.“ – Revelle und Suess, 1957

1958 wurde die bis heute wichtigste CO₂-Messstation eröffnet, das Mauna Loa Observatory auf Hawai. Weit weg von Industrie und anderen zivilen Einflüssen liefert Mauna Loa zuverlässige CO₂ Daten seit nunmehr 66 Jahren. Hoffen wir, dass die egomanische Kampforange aus Übersee diese Messreihe nicht unterbricht.

Ab den 1960ern kommen die ersten Klimamodelle ins Spiel. Unterstützt von der aufkommenden Computertechnik, werden Wetter- und Klimadaten nicht nur gemessen, sondern durch Klimamodelle auch vorausberechnet und simuliert. 1961 entdeckte Edward Lorenz bei seinen Simulationen den heute weltberühmten Schmetterlingseffekt (Titelbild), der nicht nur die moderne Mathematik mitprägt, sondern auch verschrobene Nerds inspiriert zu merkwürdigen Geschichten über Gott und linksgrünversifftes Gutmenschtum.

Spätestens 1971 warnt uns die Wissenschaft dann überdeutlich. Hermann Flohn in einem Vortrag für die Deutsche Physikalische Gesellschaft:

„Geht aber die Industrialisierung und die Bevölkerungsexplosion ungehindert weiter, dann wird spätestens in zwei bis drei Generationen der Punkt erreicht, an dem unvermeidlich irreversible Folgen globalen Ausmaßes eintreten.“ – Hermann Flohn 1971

Unterstützt wird die Warnung vom Club of Rome. Mit seiner Veröffentlichung Die Grenzen des Wachstums zeigt er auf, welche Veränderungen notwendig sind. Das alte Mantra des Kapitalismus „Wachstum, Wachstum, Wachstum“ stößt an die planetaren Grenzen.

Eigentlich logisch, denn die Erde ist endlich. Auf endlichem Raum jedoch kenne ich nur zwei Strukturen, die unendlich wachsen können: Fraktale und Tumore. Ersteres führt ins Chaos, letzteres zum Tod. (Habt ihr die populistische Rhetorik entdeckt? Tumore wachsen nicht unendlich, sondern nur bis zum Tod.)

All dies führte 1979 zur ersten Weltklimakonferenz. Im gleichen Jahr veröffentlichte die National Academy of Sciences den Charney Report, die die Berechnungen zum Klimawandel nochmal bestätigt (PDF). 1980 erschien eine 1400 Seiten starke Studie Global 2000, beauftragt von Präsident Jimmy Carter, mit allen Details zum Klimawandel (große PDF). Ein Jahr später wurde sie ergänzt um einen Zusatzband – Titel „Es ist Zeit zu handeln“.

Eigentlich hätte ab den 80ern alles gut werden können. Schon damals waren alle relevanten Informationen bekannt und lagen auf dem Tisch. Wir hätten in aller Ruhe unseren Kurs ändern können, um in Ruhe ein nachhaltiges Wirtschaftssystem innerhalb der planetaren Grenzen zu gestalten. Leider kam es anders, und es übernahm die dunkle Seite der Macht. Dazu nächste Woche mehr in Episode V: Das Imperium schlägt zurück.

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