Erste Worte

Die eigenen Kinder beim Aufwachsen zu begleiten garantiert ein Leben voller Highlights und Sensationen. Sei es das erste Lächeln, das erste Fläschchen, die erste feste Mahlzeit, das große Krabbeln, oder die ersten tapsigen Schritte vom Wohnzimmerschrank in die ausgebreiteten Arme von Mama und Papa. Jeder dieser einzigartigen Momente beglückt die Eltern ebenso wie die Verwandtschaft, die an all dem teilhaben darf, dank Skype und WhatsApp immer häufiger auch (fast) Live und in Farbe.

Kaum aber ein Ereignis wird so gespannt erwartet wie das erste gesprochene Wort. Wer könnte das je vergessen, dieser Moment, in dem man das Brabbeln des Kindes erstmalig als bewusste Lautmalerei missverstehen darf, die dann mit viel Phantasie — und immer häufiger auch nur durch Einsatz von Mischpult, digitaler Nachbearbeitung und Google-Spracherkennung — als „das erste Wort“ anerkannt sowie in die Familienalben geschrieben und auf Instagram gepostet wird.  (OK, Ehemänner können das, aber die erinnern sich ja generell an nichts, wenn es nicht mit Fußball oder Bier zu tun hat.)

Diesem Hochgefühl geht jedoch eine schier endlose Zeit voraus, in der das Kind allenfalls unartikuliertes Krächzen und Grunzen von sich gibt. Schon lange vor dem Zeitpunkt, zu dem der familieneigene Erziehungsratgeber die ersten Worte erhoffen lässt, beginnt es. Immer wieder diskutieren die Eltern, ob das mehrfach ausgestoßene „Hhhmmmtprff…“ des Sprösslings nun „Mama“ oder „Papa“ heißen soll oder doch eher „Ich will mein Taschengeld.“

Alle Versuche, das Kind zu einem ersten Wort zu motivieren, müssen scheitern, denn die Natur ist unerbittlich und die natürliche Entwicklung eines Kindes lässt sich nun mal nicht unbeschränkt beschleunigen. Jedes Kind vollzieht diesen so wichtigen Schritt in seinem eigenen Tempo. Da können Mama und Papa noch so ungeduldig sein, voller Erwartung wann das Kind denn endlich spricht. Mehr als ein „Mmrrrr…mft“ ist so früh einfach nicht zu erwarten.

Aber Eltern haben Ausdauer! Immer wieder sprechen sie ihr Kind an, kitzeln es und versuchen ihm das erste richtige Wort zu entlocken. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, ist es so weit: Klar und unerwartet deutlich erklingt das erste Wort, lieblich und schön! Erst zaghaft und schüchtern, doch dann immer deutlicher wiederholt das Kind sein erstes Wort, immer wieder. Es spricht!

Die Nachricht verbreitet sich per WhatsApp und Instagram an Freunde, Bekannte und an die ganze Verwandtschaft: Das Kind hat sein erstes Wort gesprochen! Nicht „Mama“ oder „Papa“ war sein erstes Wort, auch nicht „Ball“ oder „Wauwau“.

Es ist Samstag, und an diesem denkwürdigen Tag um 11:45 Uhr lautete das erste Wort unserer Tochter zwar etwas verschlafen, aber doch klar erkennbar: „Kaffee!!“  – Es ist erst 11:45 Uhr und unser Teenager ist schon aufgestanden. Das wird ein guter Tag!!

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